Inside Occupy
eigenes Haus haben (sie sind natürlich die Minderheit), sich in der Regel auch eine zweitklassige Hypothek haben aufschwatzen lassen. Außerdem ist bei ihnen die Wahrscheinlichkeit am größten, dass ein Inkassounternehmen hinter ihnen her ist oder der Autohändler sich seinen Wagen zurückgeholt hat. Darüber hinaus, und das ist das Infamste von allem, sehen sie sich, da sie mit größter Wahrscheinlichkeit keine nennenswerte Krankenversicherung und dergleichen haben, gezwungen, im Falle eines familiären Notfalls einen Überbrückungskredit aufzunehmen – Kredite, für die man ihnen einen effektiven Jahreszins von etwa 300 Prozent abverlangt.
Die meisten Amerikaner beider Kategorien bezahlen mit Sicherheit einen größeren Teil ihres Einkommens an die Wall Street als in Form von Steuern an den Staat.
Postings
Im September 2011, noch vor Beginn der Besetzung, richtete Chris eine Website auf Tumblr mit dem Titel »We Are The 99%« ein, wo Sympathisanten Bilder von sich mit einer kurzen Beschreibung ihrer Situation posten konnten.
Während ich an diesem Buch schreibe, gibt es dort über 125 Seiten mit solchen Postings, deren Autoren hinsichtlich Rasse, Alter, Geschlecht und auch sonst unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich gebe hier mal einige Beispiele wieder.
Beispiel 1
»Ich bin 20 Jahre alt. Bei uns herrscht Armut in der dritten Generation. Meine Familie besteht aus Lehrern und Farmern. Die Heimatstadt meiner Großeltern ist eine Geisterstadt. Meine Mutter ist in einen 8-Meter-Trailer ohne Heizung und fließendes Wasser gezogen. Sie ist eine alleinstehende Mutter mit einer Reihe von unbehandelten gesundheitlichen Problemen, so ziemlich wie der Rest meiner Freunde und meiner Familie. Ihr fehlt die Hälfte ihrer Zähne. Sie hat in Erwachsenenfilmen gespielt, damit ich auf die Schule gehen kann. Schließlich hat sie, nach jahrelanger harter Arbeit, einen Secondhand-Laden übernommen – 2007. Als die Wirtschaft gecrasht ist, musste sie statt unserer Hypothek die Miete für den Laden bezahlen. Wir haben das Haus & den Laden verloren.
Jetzt lebe ich allein. Ich habe kein Auto, keinen Führerschein, keine Krankenversicherung. Ich bezahle die Miete, indem ich Mon-Freitag in einer Eisdiele arbeite für 7,25 Dollar die Stunde. Ich gehe jeden Tag zwei Meilen zur Arbeit. So bleibt mir keine Zeit für die Schule, die ich mir sowieso nicht leisten könnte. Ich würde Sozialhilfe beantragen, aber meine Mom hat keine richtigen Steuerunterlagen wegen ihrer früheren Arbeit. Bis 25 muss ich also die Ausbildung aus der eigenen Tasche zahlen. Aber meine Taschen sind leer.
Wenn mein Land mich die Frau heiraten lassen würde, die ich
liebe
, könnte ich meine finanzielle Unabhängigkeit von meinen Eltern amtlich machen & um Stütze eingeben. Aber dieses Land sieht mich als Bürger 2. Klasse. Es erkennt unsere Liebe & Bindung nicht an.
Mein ganzes Leben lebe ich jetzt von Lohntüte zu Lohntüte. Ich weiß, wie es ist, in der Schule zu sitzen & mich zu fragen, ob wir noch Licht und Wasser haben, wenn ich nach Hause komme; mehr als einmal hat man uns diese Annehmlichkeiten weggenommen. Ich bete und bete um ein Wunder. Ich arbeite meiner Mutter ihre Schulden ab, die unter ihrem Studentenkredit gefangen ist und den Schulden ihrer Eltern.
ICH WILL DEN KREIS DURCHBRECHEN. ICH WILL MEINER FAMILIE HELFEN. ICH WILL HOFFEN KÖNNEN!!!
Diese Träume entgleiten mir von Tag zu Tag mehr.
ICH BIN DIE 99%. GENAU WIE IHR.
Man saugt uns aus und lässt uns krepieren.«
Beispiel 2
»Mein Paps hat über 30 Jahre Besen gemacht bei einer Firma, in der alle bei der Gewerkschaft waren. Meine Mutter hat in der Kirche das Büro gemacht. Beide haben hart gearbeitet. Mein Paps wurde oft dafür ausgezeichnet, weil er am seltensten wegen Krankheit gefehlt hat. Es ging den beiden gut genug, um eine 3-Zimmer-Wohnung zu kaufen und einmal im Monat mit ihren drei Kindern essen zu gehen. Sie verbesserten sich im Lauf der Zeit, wenn auch nicht sehr. Vor zehn Jahren übernahm der Sohn des Gründers die Firma. Er verlangte auf der Stelle in allen Bereichen Streichungen von 30 bis 50 Prozent. Die Gewerkschaft streikte, die Firma machte zu und wurde verkauft. Die Gewerkschaft klagte. Mein Paps bekam eine Abfindung von 10 000 Dollar. Er arbeitet heute noch hart. Er ist körperlich am Ende. Er bewegt sich, als wäre er 80. Er ist eben 60 geworden. ER IST DIE 99%.«
Beispiel 3
[Bild vergrößern]
»Ich bin bei einem alleinerziehenden Elternteil in einer
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