Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
denken, dass ich eigentlich eine Frau bin, die sich als Mann verkleidet hat und über eine Frau redet, die sich anscheinend in mich verliebt hat. Ziemlich seltsam, eigentlich ein bisschen pervers.« Sie legte eine Hand vor den Mund und berührte Banks' Arm. »O Gott, das hätte ich nicht sagen sollen, oder? Jetzt, wo die arme Caroline ...«
»Ich bin überzeugt, dass sie Ihnen vergeben hätte«, beruhigte Banks sie. »Hatten Sie vor ihrem Tod eine Ahnung von ihrer sexuellen Neigung?«
»Überhaupt nicht. Keiner von uns. Ich habe es erst aus der Zeitung erfahren. Wenn Sie mich gefragt hätten, hätte ich gesagt, sie war verrückt nach Männern.«
»Warum?«
Faith machte eine ausholende Handbewegung. »Ach, einfach weil sie sich so verhalten hat. Sie wusste, wie man mit Männern spielt. Eine Frau erkennt so was sofort. Zumindest habe ich geglaubt, es zu erkennen.«
»Aber Sie haben sie nie wirklich mit einem Mann gesehen?«
»Nicht in der Art, wie Sie meinen. Ich spreche über ihre allgemeine Wirkung, darüber, wie sie es schaffte, dass man sich den Kopf nach ihr verdrehte.«
»Haben Sie mal persönliche Konflikte unter den Schauspielern bemerkt? Besonders solche, an denen Caroline beteiligt war?«
Faith rieb einen ihrer langen, tränenförmigen Ohrringe zwischen Finger und Daumen. Sie war wohl Anfang zwanzig, vermutete Banks, und besaß besonders schönes silbernes Haar, das ihr als Pony über die Stirn und auf die Schultern herabfiel. Es sah so voll und samtig aus, dass er am liebsten seine Hand ausgestreckt und es berührt hätte. Bestimmt würden dann Funken heraussprühen, dachte er. Ihre Augen lagen etwas zu nah beieinander und ihre Unterlippe stand ein wenig vor, aber der Gesamteindruck war von einer interessanten Einheitlichkeit. Als sie auf der Bühne stand, hatte er außerdem bemerkt, dass sie groß und üppig war. Ohne sehr geschickt gemachte Kostüme würde man nur schwer die Tatsache verbergen können, dass Faith Green ganz und gar Frau war.
Um mit Banks zu sprechen, beugte sie sich näher heran, wobei er ihr Parfüm riechen konnte. Es war unaufdringlich und wahrscheinlich nicht billig. Außerdem konnte er den Martini Rossi in ihrem Atem riechen.
»Mir ist nichts Spezielles aufgefallen«, gab sie zur Antwort und blinzelte dabei unruhig zu Junker Tobias und Malvolio hinüber, der wie der Gehilfe eines Bestattungsunternehmers aussah, »aber ein paar von den Männern sind nicht besonders begeistert von Mr Conran.«
»Ach? Warum denn?«
»Ich glaube, sie sind eifersüchtig.«
»Aber die Frauen mögen ihn?«
»Ja, die meisten. Und teilweise deswegen sind die anderen eifersüchtig. Sie wären überrascht, welche zwielichtigen Beweggründe Menschen haben können, bei so einer Laienaufführung mitzumachen.« Sie machte ihre Augen weit auf, und Banks bemerkte, dass sie lächelten. »S-e-x«, hauchte sie. »Aber er ist nicht mein Typ. Ich mag dunkelhaarige und gut aussehende Männer.« Sie musterte Banks von oben bis unten. »Groß müssen sie allerdings nicht unbedingt sein. Ich habe nichts dagegen, größer als meine Freunde zu sein.«
Banks registrierte den Plural. Ob es zu seiner Zeit auch schon solche Lehrerinnen gegeben hatte?
»Ich habe gehört, dass zwischen Mr Conran und Olivia, ich meine Teresa, etwas gewesen ist.«
»Da müssen Sie sie selbst fragen«, erwiderte Faith. »Ich tratsche nicht über meine Freunde.« Sie rümpfte die Nase.
»Können Sie mir etwas mehr über Caroline erzählen?«
Faith zuckte mit den Achseln. »Eigentlich nicht. Ich meine, ich kannte sie kaum. Auf eine zierliche, mädchenhafte Weise war sie schön, aber ich kann nicht gerade behaupten, dass sie großen Eindruck auf mich gemacht hat. Wie ich schon sagte, ich hielt sie für eine, die gerne flirtete, aber ich schätze, sie konnte nichts dafür, dass ihr die Männer hinterhergerannt sind.«
»Jemand Spezielles?«
»Nein, eigentlich nur ganz allgemein. Die meisten Männer schienen einfach gerne in ihrer Nähe zu sein, einschließlich unseres Regisseurs.«
»Hat er sich an sie herangemacht?«
»Nein, dafür ist er zu raffiniert. Er spielt den Schüchternen und Verletzlichen, bis die Frauen sich ihm nähern - und dann angelt er sie sich. So hat er es jedenfalls mit Teresa gemacht.« Sie schlug eine Hand vor den Mund. »Jetzt habe ich doch getratscht. Wie haben Sie das geschafft?«
Banks lächelte. »Berufsgeheimnis.
Weitere Kostenlose Bücher