Inspector Alan Banks 07 Die letzte Rechnung
unterhalten?«
»Abgesehen davon und der üblichen Bemerkung übers Wetter nicht. Was hat ein alter Kerl wie ich schon einem jungen Mädel wie ihr zu sagen? Außerdem sind die Leute hier in der Gegend heutzutage auch nicht besonders gesprächig.« Er hustete und spuckte erneut. »Das war nicht immer so, wissen Sie. Als Eunice und ich hier hergezogen sind, war das noch eine richtige Gemeinschaft. In der Guy-FawkesNacht haben wir große Feuer auf der Straße gemacht. Damals gab es noch Kopfsteinpflaster und nicht diesen Asphalt. Jeder ist gekommen. Eunice hat Pfefferkuchen und Karamellbonbons gemacht. Wir haben Kartoffeln in Folie gewickelt und zum Backen ins Feuer gelegt. Aber das hat sich alles verändert. Sehen Sie den Sikh-Tempel dort?« Er zeigte die Straße hinunter. »Das war einmal eine Kapelle der Kongregationalisten. Sonntagmorgens ist da jeder hingegangen. Montags gab es Whistabende, außerdem gab es einen Jugendclub und einen Pfadfinderverein für die Jungen. Und Weihnachten Märchenaufführungen.
Ach ja, das hat sich alles verändert. Die Leute kommen und gehen. Wir haben jetzt zwar eine Toilette im Haus, aber niemand spricht mehr miteinander. Nicht dass ich was gegen die Pakis habe. Wie gesagt, sie ist ein nettes Mädel. Ich habe gesehen, wie sie vor einer Stunde auf einer Bahre rausgetragen wurde.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Heutzutage schließt man besser seine Tür fest zu. Wird sie wieder gesund werden?«
»Das wissen wir noch nicht«, sagte Banks. »Aber wir drücken ihr die Daumen. Hat sie viel Besuch bekommen?«
»Ich habe nicht ständig hingeguckt. Ich nehme an, Sie meinen Männerbesuch?«
»Besuch im Allgemeinen. Männer oder Frauen.«
»Eine Frau allein habe ich nie kommen sehen. Ihre Eltern sind hin und wieder da gewesen. Auf jeden Fall nehme ich an, dass es ihre Eltern waren. Und vor ein paar Monaten hat sie ein Kerl ziemlich regelmäßig besucht. Er hat manchmal vor dem Haus geparkt. Aber fragen Sie mich nicht, was für einen Wagen er gefahren hat. Ich kann mich nicht mal mehr an die Farbe erinnern. Irgendwann kam er nicht mehr. Seitdem ist mir niemand mehr aufgefallen.«
»Wie hat der Mann ausgesehen?«
»Eigentlich normal. Blondes Haar, Brille, ein bisschen größer als Sie.«
Keith Rothwell - oder Robert Calvert, dachte Banks. »Sonst noch jemand?«
Judd schüttelte den Kopf und lächelte dann. »Nur Sie und die junge Frau neulich.«
Banks spürte, wie sich Waltham umdrehte und ihn anstarrte. Wenn Judd gesehen hatte, dass Banks und Susan am Samstag Pamela besucht hatten, dann entging ihm offensichtlich nicht viel - weder vormittags, nachmittags oder abends.
»Es wird gleich jemand kommen und Ihre Aussage aufnehmen, Mr. Judd«, sagte Waltham.
»In Ordnung, mein Junge«, antwortete der alte Mann und wandte sich wieder seinem Garten zu. »Ich werde nirgendwo hingehen, außer zu meinem letzten Ruheplatz, und das hat noch ein paar Monate Zeit, so Gott will. Ich wünschte nur, ich hätte Ihnen mehr helfen können.«
»Sie haben uns sehr geholfen«, sagte Banks.
»Was zum Teufel hatte das denn schon wieder zu bedeuten, Sir?«, wollte Waltham wissen, als sie davongingen. »Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie schon einmal hier waren.«
Banks bemerkte Ken Blackstone, der gerade gegenüber dem Sikh-Tempel aus seinem dunkelblauen Peugeot stieg. »Ich hatte keine Zeit dafür«, sagte er zu Waltham und ließ ihn stehen. »Später, Sergeant. Ich werde später alles erklären.«
* II
Nach einer kurzen Fahrt von Pamela Jeffreys Haus durch das Tal des Aire saßen Banks und Blackstone in einem indischen Restaurant in der Nähe von Woodhouse Moor, tranken Bier und knabberten Pakoras und Zwiebel-Bhaji, während sie auf ihre Hauptgerichte warteten. Da das Restaurant nicht weit von der Universität entfernt lag, war es voller Studenten. Verführerisch vermischte sich der Duft von Kümmel, Koriander, Nelken und Zimt mit anderen Gewürzen, deren Namen Banks nicht kannte. »Nicht gerade das Shabab«, hatte Blackstone gesagt, »aber nicht übel.« Ein Kompliment in Yorkshire.
In der kurzen Zeit, die sie schon da gewesen waren, hatte Banks so knapp er konnte erklärt, was eigentlich vor sich ging - auf jeden Fall so weit, wie er es selbst verstand.
»Warum wurde also deiner Meinung nach das Mädchen zusammengeschlagen?«, wollte Blackstone wissen.
»Sie müssen entweder geglaubt haben, dass sie weiß, wo
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