Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Hotel gesehen?«
»Ja.«
»War sie Gast im Hotel?«
»Eigentlich nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Na ja, sie kam herein - ich glaube, sie war gerade aus einem Taxi gestiegen - und sagte, sie wolle zu ihrem Vater.«
»Ihrem Vater?« Annie war verwirrt. Sie wusste nichts davon, dass Jimmy Riddle in London nach seiner Tochter gesucht hatte, nur Banks. Sie spürte, wie eisiges Wasser an ihren Knöcheln hochstieg.
»Genau. Sie sagte, er wäre Gast im Hotel. Ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu glauben.«
»Selbstverständlich nicht. Was haben Sie gemacht?«
»Ich habe in seinem Zimmer angerufen und gesagt, seine Tochter wäre in der Halle, wolle zu ihm und wirke etwas aufgelöst. Natürlich hat er gesagt, ich solle sie raufschicken. Sie sah wirklich ziemlich aufgelöst aus, als wäre sie angegriffen worden oder in eine Prügelei geraten. Kein Wunder, dass sie unter den Umständen zu ihrem Daddy wollte, selbst um drei Uhr morgens.«
»Wenn Sie sagen, Prügelei, wie sah sie denn aus?«
»Ach, es war nichts Ernsthaftes, nur ein Riss in ihrem Kleid und ein bisschen Blut im Mundwinkel.«
»Was ist passiert, nachdem sie raufgegangen ist?«
»Nichts. Ich meine, ich hab nichts mitbekommen. Ich hatte Dienst bis um acht Uhr am nächsten Morgen, und ich habe sie beide nicht wieder gesehen.«
»Sie ist also für den Rest der Nacht in seinem Zimmer geblieben?«
»Ja.«
Das kalte Wasser war inzwischen bis zu Annies Nabel hochgestiegen, und sie beschloss, sich kopfüber hineinzustürzen. Manchmal war das das Beste. »Wie war der Name ihres Vaters?«
»Na ja, auf jeden Fall nicht Riddle, wie es in der Zeitung stand. Wie ich gestern schon zu Ihrem Kollegen sagte, deswegen fand ich die Sache ja so merkwürdig. Also habe ich den Kreditkartenbeleg rausgesucht. Er hat schon mal hier übernachtet, kann ich mich erinnern. Damals zusammen mit einer sehr attraktiven jungen Dame. Sein Name ist Banks. Alan Banks.«
Der Schock ließ Annies Blut gefrieren, obwohl sie ihn erwartet hatte. Sie dankte Mr. Poulson und legte wie betäubt auf. Banks. Die halbe Nacht mit Emily Riddle in einem Hotelzimmer. Dasselbe Hotel, in dem er mit Annie gewesen war. Und er hatte es ihr nicht erzählt. Das gab der Sache allerdings ein ganz anderes Aussehen.
Banks legte die Kassette, die er von Brians CD gemacht hatte, in den Rekorder und dachte über das Verhör von Clough nach, während er zur alten Mühle hinausfuhr. Clough saß immer noch in der Arrestzelle, aber sie würden ihn nicht viel länger als bis zum folgenden Morgen festhalten können. In der Hinsicht hatte Gallagher Recht. Jede Grundrechtsverletzung, weil Clough ein Verdächtiger im Mordfall der Tochter des Chief Constables war, würde sehr schlecht ankommen und nur seine Chancen erhöhen, ungeschoren davonzukommen. So lagen die Dinge heutzutage. Früher war es natürlich anders, und Banks war sich immer noch nicht sicher, was besser war. Er hoffte nur inständig, dass die Informationen, auf die er so verzweifelt wartete, noch rechtzeitig eintrafen.
Allerdings kam er immer wieder auf die Frage zurück, welches Motiv Clough hatte, wenn er tatsächlich Emilys Mörder war. Clough war ein gerissener Gangster, sicherlich schlau genug, sich von der Affäre mit einer Sechzehnjährigen nicht den Rest eines eindeutig angenehmen und profitablen Lebens verderben zu lassen. Aber, wenn Banks sich an die berühmten Gangster aus der Filmwelt erinnerte - James Cagney, Edward G. Robinson gab es viele Mafiabosse, die gleichzeitig Psychopathen waren und auch aus anderen als rein geschäftlichen Gründen töteten. Doch wenn Banks Clough gewesen wäre und nach Emilys Abgang rausgefunden hätte, dass sie die Tochter eines Chief Constables war, hätte er sich mit seinem Verlust abgefunden und die Finger davon gelassen. Aber vielleicht war das der Grund, warum Banks nicht Clough war.
Hatte Emily tatsächlich etwas so Dämliches gemacht wie Clough zu erpressen? Banks glaubte das nicht. Sie war ein Widerspenstiges, verwirrtes Kind, doch als Erpresserin konnte er sie sich nicht vorstellen. Nach dem Gespräch mit ihr hatte er auch das Gefühl gehabt, dass sie sich ernsthaft vor Clough fürchtete und so weit wie möglich von ihm weg sein wollte. Außerdem mangelte es ihrer Familie nicht an Geld, und Emily war, wie Riddle von Anfang an betont hatte, maßlos verwöhnt worden. Trotzdem hatte ihr vielleicht die Vorstellung gefallen,
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