Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
dem Kopf auf dem Grund des Schwimmbeckens aufschlug. Deshalb ertrank er. Gewissermaßen so ähnlich wie bei Jimi Hendrix, weißt du, der an seiner eigenen Kotze erstickte, weil er so viele Schlaftabletten genommen hatte, dass er nicht mehr aufwachte. Normalerweise hat unser Körper einen hohen Selbsterhaltungstrieb - Würgereflex und so weiter -, aber bestimmte Drogen können diese Funktionen hemmen oder unterdrücken.«
Im hinteren Teil des Pubs stieß eine weiße Kugel gegen ein Dreieck von roten. Sie stoben auseinander. Ein neues Spiel begann. Ein Betrunkener begann, laut um die Spielregeln zu streiten.
»Wie ging es weiter mit Mandrax?«, fragte Annie.
»Ganz genau weiß ich es nicht mehr, aber Ende der Siebziger wurde die Pille vom Markt genommen. Dafür nahmen die Leute dann Mogadon, genannt >Maggies<. Die Pillen hatten dieselbe Wirkung, waren aber Tranquilizer, keine Beruhigungsmittel, und wahrscheinlich nicht ganz so schädlich.«
Annie trank einen Schluck Bier. »Es könnte ihn auch jemand geschubst haben, oder?«
»Natürlich. Aber selbst wenn wir ein Motiv fänden, wäre es verdammt schwer, das nach so langer Zeit noch zu beweisen. Und genau genommen ist es nicht unsere Aufgabe.«
»Falls es nichts mit dem Mord an Nick Barber zu tun hat.«
»Stimmt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass uns Vic Greaves eine große Hilfe ist.«
»Das hat dich echt fertig gemacht, nicht? Das Gespräch mit ihm.«
»Kann sein«, gab Banks zurück und spielte mit seinem Bierdeckel. »Ich meine, er war kein Idol von mir oder so, aber ihn allein schon in diesem Zustand zu sehen, die Leere in seinen Augen, das war hart.« Banks schauderte es unwillkürlich.
»Waren es Drogen? Ist er wirklich ein LSD-Opfer?«
»Das behaupteten damals alle. Weißt du, früher hatte das sogar etwas Heldenhaftes. Greaves wurde verehrt, eben weil er verrückt war. Die Leute fanden ihn irgendwie cool. Er zog viele Bewunderer, viele Sonderlinge an. Die lassen ihn bis heute nicht in Ruhe.« Banks schüttelte den Kopf. »Was für Zeiten! Damals wurden die letzten Penner in den Himmel gehoben und Verrückte zu Sehern erklärt.«
»Meinst du, es steckte bei Greaves noch etwas anderes dahinter?«
»Ich weiß nicht, wie viel LSD er genommen hat. Wahrscheinlich hat er es eimerweise konsumiert. Ich habe gehört, dass er im Laufe der Jahre immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen war, dass er Gruppentherapie und alle möglichen anderen Therapien machte, die damals gerade modern waren, aber soweit ich weiß, gibt es immer noch keine offizielle Diagnose. Niemand wusste offenbar, was genau sein Problem war, von Heilung ganz zu schweigen. LSD-Opfer, psychotisch, schizophren, paranoid-schizophren. Such dir was aus! Auf lange Sicht ist es eigentlich egal. Er ist Vic Greaves, und sein Kopf ist im Arsch. Das muss die Hölle sein da drin.«
Als Banks nach Hause kam, waren Brian und Emilia im Medienraum und schauten La Dolce Vita auf dem Plasmaschirm. Sie saßen auf dem Sofa. Brian hatte die Füße hochgelegt und den Arm um Emilia geschlungen, die sich gegen ihn lehnte, den Kopf an seiner Brust, das Gesicht hinter den Haaren verborgen. Sie trug ein Hemd, das wie eines von Brian aussah. Es war nicht in die Hose gestopft, da sie überhaupt keine Hose trug. Die beiden machten den Eindruck, als hätten sie sich in den zwei Tagen, seit sie da waren, gut eingelebt.
Traurig wurde Banks bewusst, dass er zu beschäftigt gewesen war, um die beiden groß zu Gesicht zu bekommen. Ein verführerischer Geruch kam aus der Küche.
»Oh, hi, Dad«, sagte Brian und stellte die DVD auf Pause. »Hab deine Nachricht bekommen. Wir waren hinten in Relton spazieren.«
»Leider kein besonders schöner Tag dafür«, erwiderte Banks und ließ sich in einen Sessel fallen.
»Wir sind pitschnass geworden«, sagte Emilia.
»Kommt hier öfter vor«, entgegnete Banks. »Hoffentlich hat es Ihnen nicht die Gegend verdorben.«
»Oh, nein, Mr. Banks! Es ist wunderschön hier. Ich meine, selbst wenn es grau und verregnet ist, besitzt diese Gegend eine romantische, schlichte Schönheit, nicht wahr? Wie in Stürmische Höhen.«
»Kann sein«, sagte Banks. Er zeigte auf den Bildschirm. »Und nenn mich doch bitte Alan. Ich wusste gar nicht, dass ihr Fellini-Fans seid. Die Filme sind von Onkel Roy. Ich sehe mir nach und nach alle an. Bergman, Truffaut, Chabrol, Kurasawa. So langsam gewöhne ich mich an
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