Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
an der Dorfwiese geparkt, weil er nicht in den schmalen Weg passte. Diesmal stand er neben einem silbernen Mercedes. Als Banks einen zweiten Blick auf den Mercedes warf, fiel ihm ein, dass es derselbe war, den er am späten Nachmittag auf dem Heimweg gesehen hatte. Im Licht der Straßenlaternen wurden die nackten Äste vom Wind geschüttelt; sie warfen unheimliche Schatten auf das Cottage und den Weg. Die Luft roch nach Regen, der erst noch fallen musste.
Die Vorhänge im Vorderzimmer waren zugezogen, aber Banks konnte schwaches Licht im Haus erkennen. Er klopfte an der Tür. Sofort wurde geöffnet. Umrahmt vom Licht, stand dort ein Mann mit einem roten Gesicht, dessen schütteres graues Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden war. Dadurch wirkte sein Gesicht aufgedunsen und streitlustig, so als betrachte Banks ihn durch ein Fischaugenobjektiv. Der Mann trug eine Lederjacke und Jeans.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte er. »Sind Sie der Spinner, der heute Nachmittag hier war und Vic total durcheinandergebracht hat? Könnt ihr dämlichen Idioten ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Merkt ihr nicht, dass er krank ist?«
»Ja, er machte einen ziemlich kranken Eindruck auf mich«, sagte Banks und holte seinen Dienstausweis aus der Tasche. Er reichte ihn dem Mann, der ihn genau studierte, ehe er ihn zurückgab.
»Tut mir leid«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. »Entschuldigung. Kommen Sie rein! Ich habe mich schon so an die Beschützerrolle gewöhnt. Vic ist total durch den Wind.«
Banks folgte ihm ins Haus. »Sie haben recht«, sagte er. »Ich war heute Nachmittag schon einmal hier, und Mr. Greaves regte sich auf. Es tut mir leid, wenn das meine Schuld ist.«
»Das konnten Sie nicht wissen.«
»Wer sind Sie eigentlich?«
Der Mann hielt ihm die Hand hin. »Ich heiße Chris. Chris Adams.«
Banks schlug ein. Adams hatte einen festen Handgriff, auch wenn seine Hand leicht verschwitzt war.
»Der Manager der Mad Hatters?«
»Allerdings. Das heißt, Sie verstehen, was los ist? Setzen Sie sich doch, bitte!«
Banks nahm auf einem gesprungenen Plastiksessel von unbestimmter gelbbrauner Farbe Platz. Adams setzte sich seitlich von ihm. Um sie herum waren Stapel von Zeitungen und Zeitschriften. Der Raum wurde schwach beleuchtet von zwei Tischlampen mit rosa-grünen Schirmen. Er schien nicht beheizt zu sein, denn es war kalt im Cottage. Banks behielt den Mantel an. »Ich würde nicht behaupten, dass ich verstehe, was hier los ist«, sagte er. »Ich weiß, dass Vic Greaves hier wohnt, und das ist schon so gut wie alles.«
»Im Moment ruht er sich aus. Keine Sorge, das wird schon wieder«, sagte Adams.
»Passen Sie auf ihn auf?«
»Ich versuche, so oft wie möglich vorbeizusehen, wenn ich nicht gerade in London oder L. A. bin. Ich wohne außerhalb von Newcastle, in der Nähe von Alnwick, also nicht besonders weit.«
»Ich dachte, Sie wohnen alle in Amerika!«
»Nur die Band - die meisten jedenfalls. Ich würde da nicht mal wohnen, wenn Sie mir ein Vermögen in Goldbarren schenken würden. Momentan ist hier eine Menge zu tun, die bevorstehende Tour muss organisiert werden. Aber von meinen Problemen wollen Sie bestimmt nichts hören. Was kann Vic für Sie tun?«
Jetzt, da Banks im Haus war, wusste er das gar nicht mehr genau. Er hatte keine Zeit gehabt, sich Fragen zurechtzulegen, hatte natürlich nicht damit gerechnet, Chris Adams an diesem Abend zu treffen; er hatte lediglich auf Jean Murrays Anruf reagiert. Vielleicht war das der beste Ausgangspunkt.
»Es tut mir leid, dass ich Mr. Greaves heute Nachmittag so verstört habe«, begann er, »aber ich bekam eben einen Anruf von jemandem aus dem Dorf, der sich über den Lärm in diesem Haus beschwerte.«
Adams nickte. »Das war Vic. Ich muss kurz nach Ihnen hier gewesen sein. Vic lag zusammengerollt auf dem Boden und zählte. Das macht er immer, wenn er sich bedroht fühlt. Ich schätze, das ist so ähnlich wie bei Schafen, die der Gefahr den Rücken zukehren und hoffen, dass sie verschwindet.«
»Ich dachte, er hätte vielleicht Drogen genommen oder so.«
Adams schüttelte den Kopf. »Vic hat seit über dreißig Jahren keine Drogen mehr angefasst - besser gesagt, nur verschreibungspflichtige.«
»Und der Lärm, das Randalieren?«
»Ich konnte ihn dazu bringen, eine Weile zu schlafen. Als er dann im Dunkeln aufwachte, war er orientierungslos
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