Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
ist nur McGarrity, das ist der Einzige, der komisch ist.«
»Verstehe«, sagte Chadwick. »Hast du jetzt vielleicht Lust, aufzustehen und etwas zu essen?«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Na, du könntest wenigstens mit nach unten zu deiner Mutter kommen. Sie ist krank vor Sorge um dich.«
»Gut«, sagte Yvonne. »Aber ich brauche kurz, um mich umzuziehen und mir das Gesicht zu waschen.«
»Gut so, Schätzchen.« Chadwick gab ihr einen Kuss auf den Kopf, verließ das Zimmer und ging entschlossen zum Telefon. Noch an diesem Abend würde jemand sehr bereuen, überhaupt geboren worden zu sein.
** 14
Vor der Tür von Detective Superintendent Gervaise' Büro stand Annie Cabbot und bemühte sich, ihr Temperament zu zügeln, bevor sie anklopfte und eintrat. Banks war nach Whitby gefahren. Es war keine leichte Sache. Von Anfang an hatte Annie gespürt, dass Gervaise sie nicht mochte. Annie hielt ihre Vorgesetzte für eine ehrgeizige Frau, die sich ihren Platz hart hatte erkämpfen müssen und alles daransetzte, es jeder anderen Frau so schwer wie möglich zu machen. So viel zum Thema weibliche Solidarität.
Mehrmals atmete Annie tief und beruhigend durch, so wie sie es tat, wenn sie meditierte oder Yogaübungen machte. Es funktionierte nicht. Trotzdem klopfte sie an und trat ein, bevor eine leicht verwirrte Stimme »Herein!« rief.
»Ich würde gerne mit Ihnen sprechen, Ma'am«, sagte Annie.
»DI Cabbot, setzen Sie sich bitte!«
Annie nahm Platz. Sie erinnerte sich noch, wie nervös und ehrfurchtsvoll sie gewesen war, als Detective Superintendent Gristhorpe sie zum ersten Mal in sein Büro gebeten hatte. Jetzt waren ihre Gefühle völlig anders.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Das war wirklich unangebracht von Ihnen heute Morgen«, begann Annie. »Bei der Besprechung.«
»Ach, ja?« Gervaise tat überrascht. Zumindest nahm Annie an, dass es aufgesetzt war.
»Sie haben kein Recht, öffentlich Kommentare über mein Privatleben abzugeben.«
Superintendent Gervaise hob die Hand. »Moment, warten wir kurz, bevor wir weitermachen. Was genau soll ich gesagt haben, über das Sie sich so aufregen?«
»Das wissen Sie verdammt genau, Ma'am.«
»Wir scheinen irgendwie ein Problem zu haben, was?«
»Sie sagten, Sie wollten sich nicht über moralische Sitten streiten, schon gar nicht mit mir.«
»Diese Besprechungen sind kein Diskussionsforum, DI Cabbot, sie werden einberufen, um alle auf dem Laufenden zu halten und um weitere Vorgehensweisen und Ermittlungsansätze abzuklären. Das wissen Sie.«
»Dennoch haben Sie mich absichtlich vor meinen Kollegen beleidigt.«
Superintendent Gervaise betrachtete Annie wie eine besonders aufsässige Schülerin. »Nun, da wir schon beim Thema sind«, sagte sie, »Sie haben in unserem Verein durchaus eine bewegte Vergangenheit, nicht wahr?«
Annie schwieg.
»Dann will ich Sie kurz daran erinnern. Sie waren keine fünf Minuten in North Yorkshire, da hüpften Sie schon mit DCI Banks ins Bett. Ich darf Sie daran erinnern, dass Verbrüderungen unter Kollegen offiziell nicht gern gesehen sind, und Beziehungen zwischen einem Sergeant, was Sie damals waren, und einem Chief Inspector sind ganz besonders mit Risiken belastet, wie Sie sicherlich festgestellt haben. Er war Ihr Vorgesetzter. Was dachten Sie sich dabei?«
Annies Herz klopfte laut in ihrer Brust. »Mein Privatleben geht niemanden etwas an.«
»Sie sind nicht dumm«, fuhr Superintendent Gervaise fort. »Das weiß ich. Jeder macht mal einen Fehler, und die gehen selten tödlich aus.« Sie machte eine Pause. »Aber bei Ihrem letzten war das anders, nicht? Ihr letzter Fehler kostete DCI Banks beinahe das Leben.«
»Zu dem Zeitpunkt hatten wir nichts mehr miteinander«, entgegnete Annie und spürte dabei, wie schwach ihre Antwort klang.
»Das weiß ich.« Gervaise schüttelte den Kopf. »DI Cabbot, mir ist nicht ganz klar, wie Sie sich hier so lange halten konnten, schon gar nicht, wie Sie so schnell zum Detective Inspector befördert werden konnten. Es muss hier sehr locker zugegangen sein. Oder hatte DCI Banks vielleicht gewissen Einfluss auf den stellvertretenden Polizeipräsidenten?«
Fast wäre Annie bei dieser Beleidigung explodiert, doch dann spürte sie plötzlich eine unglaubliche Ruhe, die sie anfänglich überraschte, eine kalte Taubheit im Körper, ein Abschalten jedes Gefühls. Dann wurde ihr ein
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