Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
Zuvor hatte er nach seinem Feierabendbier mit Annie noch kurz auf dem Revier vorbeigeschaut, wo alles seinen gewohnten Gang ging. Brian und Emilia waren unterwegs, so konnte Banks in Ruhe eine jüngst erstandene CD von Susan Graham mit französischen Chansons und ein Glas von Roys Amarone genießen. Als Brian und Emilia nach Hause kamen, war die CD fast zu Ende und das Weinglas halb leer. Banks ging zu ihnen in die Küche.
»Dad«, sagte Brian und stellte mehrere Tüten auf den Tisch, »wir waren heute in York. Wir wussten nicht, ob du zu Hause sein würdest, deshalb haben wir beim Inder was mitgenommen. Aber es reicht für uns drei.«
»Nein, danke«, sagte Banks und wollte sich lieber nicht vorstellen, welche seismischen Auswirkungen es auf seinen Magen hätte, wenn ein Curry auf den Amarone treffen würde. »Ich habe keinen großen Hunger. Habe eben ein Sandwich gegessen. Wie war es in York?«
»Super«, sagte Emilia. »Wir haben das volle Touristenprogramm gemacht: Minster, Wikingerpark. Wir waren sogar im Eisenbahnmuseum.«
»Da bist du mit ihr hingegangen?«, fragte Banks seinen Sohn.
»Das war nicht meine Idee, sie wollte unbedingt hin.«
»Das stimmt«, bemerkte Emilia und nahm Brians Hand. »Ich liebe Züge. Ich musste ihn überreden.«
Beide lachten. Banks erinnerte sich daran, wie er Brian mit sieben Jahren auf einem Tagesausflug von London ins National Railway Museum beziehungsweise, wie es damals hieß, ins York Railway Museum geschleppt hatte. Wie viel Spaß es dem Kleinen gemacht hatte, auf den blitzenden Dampflokomotiven herumzuklettern und Lokführer zu spielen.
Brian und Emilia aßen das Curry auf der Küchenbank, Banks saß dabei, trank seinen Wein und unterhielt sich mit ihnen über den Tag. Nach dem Essen räumte Brian auf - ein Ereignis mit Seltenheitswert - und sagte: »Ach, ganz vergessen. Ich habe dir was mitgebracht, Dad.«
»Mir?«, fragte Banks. »Das ist doch nicht nötig.«
»Ist nichts Besonderes.« Brian holte eine Plastiktüte von HMV aus dem Rucksack. »Tut mir leid, ich hatte keine Zeit, es als Geschenk einzupacken.«
Banks zog das Päckchen aus der Tüte. Es war eine DVD: Die Mad Hatters Story. Nach den Angaben auf der Rückseite der Verpackung enthielt sie Bilder aus jeder Phase der Band, auch von der ersten Besetzung mit Vic Greaves und Robin Merchant. »Ist bestimmt interessant«, sagte Banks. »Wollen wir uns die zusammen ansehen?«
»Gerne.«
»Emilia?«
Sie holte ein Buch aus ihrer Umhängetasche, Lolita lesen in Teheran. »Ich nicht«, sagte sie lächelnd. »Ich bin müde. War ein langer Tag. Ich gehe lieber ins Bett und lese noch ein bisschen, dann habt ihr Jungs Zeit für euch.« Sie gab Brian einen Kuss und verabschiedete sich von Banks. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, sagte Banks. »Ach, bevor du gehst, hättet ihr beide morgen Mittag Lust, mit mir und Annie essen zu gehen? Das heißt, wenn nichts dazwischenkommt?«
Mit fragendem Blick sah Brian Emilia an. Sie nickte. »Gerne«, sagte er und fügte mahnend unter der Bürde vieler gebrochener Versprechen hinzu: »Falls nichts dazwischenkommt.«
»Versprochen. Ihr bleibt doch noch etwas länger, oder?«
»Wenn das in Ordnung ist«, sagte Brian.
»Ja, sicher.«
»Wenn wir dich nicht allzu sehr aus dem Konzept bringen.«
Banks lief rot an. »Nein. Warum solltet ihr ...? Ich meine ...«
Emilia verabschiedete sich noch einmal und ging lächelnd nach oben.
»Scheint ein nettes Mädchen zu sein«, sagte Banks zu seinem Sohn, als sie außer Hörweite war.
Brian grinste. »Ist sie auch.«
»Ist es ...?«
»Ob es was Ernstes ist?«
»Hm, ja, das meinte ich wohl.«
»Ist noch zu früh, das zu sagen, aber ich mag sie so sehr, dass es mir weh tun würde, wenn sie mich verließe. So wie es in dem Lied heißt.«
»In welchem Lied?«
»In unserem, du Penner. Unsere letzte Single.«
»Ups. Ich kaufe keine Singles.«
»Ich weiß, Dad. Hab dich nur geärgert. Man konnte sie gar nicht auf CD kaufen. Man musste sie von iTunes runterladen.«
»He, Moment mal! Das kann ich inzwischen schon. Ich habe einen iPod. Ich lebe nicht komplett hinterm Mond, weißt du?« Brian lachte und holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank.
Banks schenkte sich etwas Wein nach, dann gingen die beiden ins Medienzimmer.
Die DVD begann mit dem Manager Chris Adams, der einen kurzen zeitlichen
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