Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
tröstlich zu wissen, dass er keine großen Schmerzen gehabt hatte, aber genau genommen, fand Banks, hätte nur Templeton selbst das mit Gewissheit sagen können.
Er stand auf der Treppe vor dem Krankenhaus und lehnte sich neben der Tür an die Wand. Der eisige Märzwind wehte um Banks herum, und als er seine Fassung zurückgewann, beschloss er, zum College von Eastvale zu fahren und noch einmal mit Stuart Kinsey zu sprechen. Auf dem Weg dahin nahm er seinen ganzen Mut zusammen, um Sophia anzurufen und sie zu fragen, ob sie später Lust auf einen Drink hätte. Hatte sie.
Er fand Kinsey in der Cafeteria, und die beiden suchten sich eine schummrige, ruhige Ecke. Banks holte zwei Latte und zwei KitKats an der Theke und setzte sich.
»Was ist jetzt schon wieder?«, fragte Stuart. »Ich dachte, Sie glauben mir.«
»Ich glaube Ihnen auch«, sagte Banks. »Zumindest glaube ich, dass Sie Hayley Daniels nicht umgebracht haben.«
»Was denn dann?«
»Nur noch ein paar Fragen, mehr nicht.«
»Um drei habe ich eine Vorlesung.«
»Schon gut. Bis dahin bin ich längst fertig, wenn wir jetzt schnell anfangen.«
»Gut«, sagte Stuart und griff nach seinen Zigaretten. »Was möchten Sie wissen?«
»Es geht um den Abend, als Sie Hayley ins Labyrinth folgten.«
»Ich bin ihr nicht gefolgt.«
»Aber Sie haben ihr nachspioniert. Sie wussten, dass Hayley dort war.« Der Rauch zog zu Banks herüber, und zum ersten Mal störte er ihn nicht. Ganz im Gegenteil, er hätte jetzt selbst gern geraucht. Lag wahrscheinlich an dem Stress, Templeton aufgeschnitten auf dem Tisch liegen zu sehen. Banks kämpfte gegen das Bedürfnis, und es ließ nach.
»Ich habe nicht spioniert!«, protestierte Stuart und schaute sich um, vergewisserte sich, dass niemand ihn hören konnte. »Ich bin nicht pervers. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich sehen wollte, wo sie hinging.«
»Dachten Sie, Hayley würde jemanden treffen?«
»Nicht dort, nein. Was auch immer ich von Hayley hielt, ich glaube nicht, dass sie der Typ für einen betrunkenen Quickie in einer dunklen Gasse war. Nein, sie ging dort pinkeln, mehr nicht. Ich glaube, sie wollte später noch jemanden treffen, woanders.«
Banks zog das Silberpapier von seinem KitKat. »Hat Hayley mal eine Anspielung gemacht, an dem Abend oder zu einem anderen Zeitpunkt, dass sie Ärger mit irgendjemandem hätte?«
»Nein. Nicht dass ich wüsste. Warum?«
»Machte sie sich vielleicht Sorgen um irgendwas?«
»Das haben Sie mich schon mal gefragt. Oder der andere Beamte.«
»Nun, dann frage ich Sie eben noch mal.«
»Nein. Nichts. Hayley war ziemlich sorglos. Ich meine, ich habe nie mitbekommen, dass sie wegen irgendwas so richtig niedergeschlagen gewesen wäre.«
»Wütend?«
»Sie war ziemlich jähzornig. Und hatte eine ganz schön große Klappe. Aber es dauerte, bis sie auf 180 war.«
»Im Fountain regte sie sich aber auf, oder? Und sie ließ es an Jamie Murdoch aus.«
»Ja, ein bisschen. Ich meine, er war außer uns der einzige dort. Sie hat ihn ein paar Mal beschimpft. Schlappschwanz, Idiot, so was. War ziemlich daneben.«
»Wie nahm er das auf?«
»Wie würden Sie das aufnehmen? Er war nicht gerade begeistert.«
»Er sagte mir, es sei nicht schlimm gewesen.«
»Na, ist doch logisch, oder? Er wollte nicht, dass Sie denken, er hätte ein Motiv gehabt, Hayley was anzutun.«
»Ja? War er wirklich so sauer?«
»Ich weiß nicht. Schämte sich eher. Kurz darauf hat er uns vor die Tür gesetzt.«
»Standen sich die beiden mal nahe, Hayley und Jamie?«
»Ganz bestimmt nicht! Jamie ist ein Loser. Er hat das College geschmissen. Ich meine, sehen Sie sich den doch an! Er hängt jeden Abend in diesem ätzenden Pub rum, die Hälfte der Zeit allein, während der Wirt in Florida in der Sonne liegt.«
»War irgendjemand an dem Abend in einem der Pubs - besonders im Fountain -, der sich über Gebühr für Hayley interessiert hätte, abgesehen von diesem Lederwarenhändler?«
»Männer drehten sich nach ihr um, klar, aber nichts Außergewöhnliches, nicht dass ich mich erinnern könnte. Jedenfalls nicht anders als sonst. Und wie gesagt, wir waren die Letzten, die das Fountain verließen. Nach uns kam niemand mehr rein.«
»Gut, Stuart, gehen wir noch mal zurück zum Labyrinth.«
Stuart wand sich auf dem Stuhl. »Müssen wir das?«
»Das ist wichtig.«
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