Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Billy.«
Rebus erinnerte sich an seinen ersten Besuch in Greenfield. Van Brady hatte sich aus ihrem Fenster gelehnt: Ich hab dich gesehen, Billy Horman! An den Jungen selbst konnte er sich nicht mehr erinnern, wusste lediglich, dass er mit Jamie Brady gespielt hatte.
»Jetzt wissen wir, warum die die Wohnung abgefackelt haben«, fuhr Hood fort.
»Brillant kombiniert, Grant. Vielleicht sollten wir mit der fraglichen Dame ein paar Takte reden.«
»Der Mutter des Jungen?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Van Brady.«
Nachdem er die Verhandlungen mit Van Brady aufgenommen hatte - ihre Küche bot einen für solch einen Gipfel eher unzulänglichen Tisch -, forderte Rebus Verstärkung
an. Sie würden zusätzliche Suchtrupps organisieren, Polizei und Einwohner Hand in Hand zusammenarbeiten.
»Das hier ist Ihr Revier«, hatte Rebus eingeräumt und ein paar weitere Pillen mit einem Becher billigen Zichorienkaffee hinuntergespült. »Sie kennen sich hier besser aus als jeder Einzelne von uns; kennen jedes Versteck, jeden Bandentreff, jeden Schlupfwinkel, wo er die Nacht verbringen könnte. Wenn seine Mutter uns eine Liste mit den Namen seiner Schulkameraden gibt, können wir die Eltern anrufen und feststellen, ob er vielleicht bei einem von ihnen ist. Es gibt Dinge, die wir am besten beherrschen, und Dinge, die Sie erledigen können.« Er sprach mit ruhiger Stimme und ließ Van die ganze Zeit nicht aus den Augen. In der Küche befanden sich acht Leute, in Flur und Wohnzimmer etliche weitere.
»Was ist mit dem Perversen?«, wollte Van Brady wissen.
»Den finden wir schon, keine Bange. Aber im Augenblick sollten wir uns lieber auf Billy konzentrieren, meinen Sie nicht auch?«
»Und was, wenn Billy bei ihm ist?«
»Warten wir doch erst mal ab, hm? Als Erstes sollten wir die Suche wieder aufnehmen. Solang wir hier bloß rumsitzen, finden wir niemand.«
Nach Ende des Meetings war Rebus zu Grant Hood gegangen.
»Das hier ist Ihre Angelegenheit, Grant«, sagte er. »Ich sollte gar nicht da sein.«
Hood nickte. »Tut mir Leid, dass ich Sie mit reingezogen habe.«
»Schon okay. Aber machen Sie's richtig: Wecken Sie DI Barbour, und erzählen Sie ihr, was Sache ist.«
»Was passiert, wenn die ihn zuerst finden?« Womit er nicht den Jungen, sondern Darren Rough meinte.
»Dann ist er tot«, antwortete Rebus. »So einfach ist das.«
Er stieg ins Auto und verließ Greenfield. Fragte sich, wann Darren Rough seine Wohnung geräumt haben mochte. Fragte sich, wo er wohl hingegangen sein konnte. Holyrood Park? Früher einmal, vor Jahrhunderten, war er ein Asyl für flüchtige Verbrecher gewesen. Solange man nicht die Grenze überschritt, befand man sich auf einer Krondomäne und war dem Zugriff des Gesetzes entzogen. Schuldner flohen dorthin, blieben jahrelang dort, lebten von Almosen und Fischen aus den Lochs und Wildkaninchen. Wenn ihre Schulden endlich bezahlt oder verjährt waren, traten sie wieder über die Grenze und kehrten in die Gesellschaft zurück. Der Park hatte ihnen eine Illusion von Freiheit gewährt; in Wirklichkeit waren sie lediglich im offenen Strafvollzug gewesen.
Holyrood Park: Eine Straße wand sich um den Fuß der Salisbury Crags und des Arthur's Seat. Parkplätze säumten die - tagsüber bei Familien ebenso wie bei Hundebesitzern beliebten - Lochs. Nachts fuhren Pärchen zum Sex dorthin. Die Royal Parks Police patrouillierte hier in unregelmäßigen Abständen. Es war davon die Rede gewesen, die Truppe aufzulösen, den Park unter die Jurisdiktion der Polizei von Lothian und Borders zu bringen. Bislang war nichts geschehen.
Rebus fuhr drei Runden durch den Park. Langsam, ohne den wenigen parkenden Autos, an denen er vorbeikam, allzu viel Beachtung zu schenken. Dann, am St. Margaret's Loch, gerade als er auf Höhe der Royal Park Terrace rausfahren wollte, glaubte er, am Rand seines Gesichtsfelds eine Bewegung im Schatten gesehen zu haben. Beschloss anzuhalten. Vielleicht waren es nur die Kopfschmerzen und die Pillen, die ihm was vorgaukelten. Er ließ den Motor laufen, kurbelte das Fenster herunter und zündete sich eine Zigarette an. Ein Fuchs, am Ende sogar ein Dachs... er konnte sich getäuscht haben. Es gab alle möglichen Schatten in der Stadt.
Dann aber tauchte ein Gesicht am offenen Fenster auf.
»Ob Sie wohl 'ne Kippe übrig haben?«
»Kein Problem.« Rebus wandte sich ab, während er in die Tasche griff.
»Äh... hören Sie, ich weiß nicht genau...« Ein Räuspern. »Ich meine, Sie suchen doch
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