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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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der Pastor: «Ja.»
    «Könnte es sein, daß Curlew eine andere Schreibweise von ‹Clerihew› ist? Oder ist es anders herum? Ich meine, daß ‹Clerihew Marsh› eigentlich ‹Curlew Marsh› ist? Da der Brachvogel das Wappentier der Ashcrofts ist.»
    «Das ist richtig.» Wieder wandte er sich zum Gehen.
    «Und Ihr Vorname, ‹Linley›? James Ashcroft war Viscount Linley, und einer seiner Namen lautete ‹Whyte›. Mit ‹Y› allerdings.»
    «Falls Sie sich fragen, ob ich mit den Ashcrofts verwandt bin, ja, so ist es. Aber ich bin ein sehr entfernter Verwandter. Ashcrofts Legat an unsere Kirche kam noch überraschender als Ihres. Aber das muß man ihm lassen, großzügig war er.» Melrose fragte sich, was der Pastor James Ashcroft wohl nicht zugestehen wollte.
    Mr. White fuhr indessen fort: «Ich war wahrhaftig überrascht, daß er uns fünfzigtausend Pfund hinterlassen hat.»
    Melrose auch.
     
    Sara hatte sich die ganze Zeit über geduldig in der dämmrigen Kirche herumgedrückt und über den Sturm gelesen, der den Kirchturm umgeworfen hatte, was man als Werk des Teufels interpretierte.
    «Entschuldigung», sagte Melrose.
    «Ach, das macht nichts. War das der Pastor?»
    «Ja. Ich habe Durst, und Sie?»
    «Ich könnte eine Tasse Tee vertragen. Aber Sie wollen wohl lieber in ein Pub.»
    Man konnte sie wirklich gut um sich haben. Und attraktiv war sie auch, ja, der Frauentyp, den ein de Winter oder ein Rochester heiraten würde. Kein Wunder, daß Jessica sie ihm zukommen lassen wollte.
     
    Als sie die Kirche verließen, blieben sie kurz stehen, um sich die moos- und flechtenbewachsenen Grabsteine anzusehen.
    «Jetzt weiß ich auch, an wen mich Mr. White erinnert. An Hesters Chillingworth.»
    Sara blickte ratlos. «Chillingworth?»
    «Sie wissen doch. Aus Der scharlachrote Buchstabe. Ob Davey für ihn so was war wie eine unterbelichtete kleine Pearl?»
    «Was haben Sie eigentlich so lange zu bereden gehabt? Sie hatten doch vorher noch nie von ihm gehört, oder?»
    Melrose ließ sich ihre Frage stumm durch den Kopf gehen, dann sagte er sich, zweimal lügen ist nicht schlimmer als einmal. «Nein. Wissen Sie, wo das Postamt ist? Ich muß diese Briefe einstecken.»
    Melrose lief nachdenklich neben Sara Millar her.

21
    K ATER C YRIL SASS auf Fiona Clingmores Schreibmaschine und beobachtete das mittägliche Verjüngungsritual seines Frauchens. Puder, Mascara, Lippenstift, Eyeliner. Als Jury hereinkam, hielt Cyril seine majestätische Position auf der Schreibmaschine bei und fuhr sich mit der Pfote übers Gesicht, wie ein Schüler, der ausprobiert, was er gerade bei seinem Meister gelernt hat.
    Man hatte viel herumgerätselt, wie es dem Kater gelungen sein konnte, in die heiligen Hallen von New Scotland Yard einzudringen, und war zu dem Schluß gekommen, daß Cyril wohl den Tunnel entdeckt hatte, der ursprünglich für die Besucher eines Theaters gedacht war, und anstelle dessen sich jetzt das Hauptquartier der Metropolitan Police erhob. Das Theater war nie gebaut worden: Geldmangel oder ein Fehler des Architekten, keiner wußte es so genau. Wie auch immer, Kater Cyril strich durch die Flure, als gehöre er einfach dazu. Besonders gern hielt sich Cyril im Büro von Chief Superintendent Racer auf, denn den konnte er jederzeit überlisten und austricksen.
    Es zeugte von Cyrils zäher Natur, daß er es schon seit über einem, ja seit fast zwei Jahren in Racers unmittelbarer Nähe aushielt. Von keinem Mitarbeiter der Metropolitan Police, ob in Uniform oder in Zivil, konnte man das behaupten. Eine Ausnahme war allerdings Superintendent Jury, dessen zähe Natur (und, wie Jury selbst argwöhnte, leicht masochistische Ader) es mit der von Cyril durchaus aufnehmen konnte. Fiona war eine knallharte Frau. Und wenn die Welt unterginge – nichts konnte sie erschüttern. Mit diesem Naturell war sie wie geschaffen für den Sekretariatsposten in Racers Vorzimmer. Unablässig mußte sie sich sagen lassen, sie solle den räudigen Rattenfänger aus Racers Dunstkreis entfernen, oder er werde sie feuern und Cyril umbringen. Fiona kümmerte sich weitaus intensiver um ihr Augen-Make-up als um die Ermahnungen ihres Chefs. Racer hatte Cyril oft genug auf den Flur hinausgeworfen. Aber Cyril kam immer wieder – wie Melvilles Bartleby. Dann saß er auf einer bequemen Fensterbank und starrte auf die Mauer eines anderen Yard-Gebäudes.
    Fiona und Cyril waren gerade mitten in ihren rituellen Lunch-Waschungen, als Jury das Büro betrat. «Tagchen,

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