Inspektor Jury lichtet den Nebel
Vorkriegsmodelle, Klassiker, Oldtimer.»
«O ja. Robert hat natürlich Zugang zu Jessicas Geld. Er braucht sich nur an mich zu wenden. Wenn mir eine Ausgabe angemessen erscheint, gebe ich grünes Licht. Sie haben ganz recht, seine Autos sind kostspielig. Aber ein Tropfen auf den heißen Stein bei Millionen von Pfund. James und Robert standen sich sehr, sehr nahe. Selbst noch als Robert nach Australien gegangen war. Sie haben sich regelmäßig geschrieben. Diese Briefe waren es übrigens, die wesentlich dazu beitrugen, ihn als den Bruder ausweisen zu können. Wieso verdächtigen Sie Robert Ashcroft überhaupt?»
«Weil für ihn alles in dieser Angelegenheit so extrem rosig ist. Und die zur Beerdigung angereisten Verwandten hatten ihn lange Zeit nicht gesehen, wenn sie ihn überhaupt kannten …»
«Ja, das stimmt. Wenn es um so viel Geld und Besitz geht, kommen die Ratten aus allen Löchern. Einige wollten das für sie unvorteilhafte Testament dann auch anfechten. Wollten den ihnen ‹zustehenden› Anteil einklagen oder die Person, die am besten wegkam, als Hochstapler hinstellen.» Mr. Mack lächelte mit gespitzten Lippen.
«Also hat James seinem Bruder Robert mehr oder weniger eine carte blanche gegeben?»
Mack runzelte die Stirn. «Ja. Ehrlich gesagt, sind mir solche Blanko-Arrangements zuwider. Ein einziger Schlamassel.» Er rückte seine Zigarettenschachtel zurecht und verschob die Bronzekatze ein bißchen. «Aber James schwor Stein und Bein auf Robert. Und der Rest der Verwandtschaft, die Blutsverwandtschaft ebenso wie die angeheiratete, war ja auch wirklich ein ziemlich mieser Haufen. Soweit ich sehen konnte, hätte nicht ein einziger von ihnen das Geld, geschweige denn James’ Zuneigung verdient. Aber er war – auf meinen Rat hin – so klug, voraussichtlichen Querulanten kleine Summen zu vermachen.»
«Ich hätte gern eine Kopie des Testaments eingesehen, Mr. Mack.»
Mr. Mack kippelte mit seinem Stuhl. «Ist das unbedingt erforderlich?»
Jury lächelte. «Ich würde es gern einsehen. Das Testament ist eröffnet und damit jedermann zugänglich.»
«Hm. Na schön. Miss Chivers kann ihnen eine Kopie machen.» Er drückte auf seine Sprechanlage und erteilte seiner Sekretärin die entsprechende Anweisung.
«Und die Briefe hätte ich auch gern gesehen.»
«Die von James? Die hat natürlich Robert.» Mr. Mack runzelte die Stirn. «Wollen Sie etwa ein graphologisches Gutachten anfertigen lassen?»
«Etwas in der Art, ja», sagte Jury und wunderte sich darüber, daß die Anwälte der Ashcrofts nicht längst zu dieser Maßnahme gegriffen hatten. «Danke für Ihre Hilfe, Mr. Mack.»
Im Hinausgehen bekam er die Kopie des Testaments und einen bewundernden Blick von Miss Chivers.
Mr. Macks Büro lag mitten in der City von London. Jury ging zur U-Bahn-Station Aldergate und überlegte, was ihm im Magen lag. Etwas, das er gesehen hatte? Etwas, das er gehört hatte? James Ashcrofts Testament war lang. Der Besitz ansehnlich. Ashcroft und zwei weitere Rechtsanwälte, einer davon George Thorne, hatten unterzeichnet.
George Thorne. Schon wieder.
Jury stieg an der Baker Street in die Northern Line um. Während er auf den Zug wartete, schaute er auf die gekachelte Wand am Bahnsteig, wo seit der Renovierung Sherlock Holmes im Profil zu sehen war. Nicht ganz einfach, diesem Vorbild zu folgen.
«W ENN DAS NICHT TRAURIG IST », sagte Mrs. Wasserman, die allein in der Souterrainwohnung des Mietshauses in Islington lebte. Jury wohnte im zweiten Stock und stattete ihr gerade einen Kurzbesuch ab. Damit er eintreten konnte, hatte sie zwei Riegel zurückschieben, eine Kette abnehmen und das Einriegelschloß aufschließen müssen. Ihre Fenster waren vergittert. Mrs. Wasserman hätte sogar inmitten der Krawalle von Brixton ruhig schlafen können. Aber trotz ihrer Sicherheitsvorkehrungen fand Mrs. Wassermann keine Ruhe, wenn der Superintendent nicht zu Hause war, der Gott sei Dank oben wohnte.
Sie aßen selbstgebackenen Strudel und tranken Kaffee, wobei sie sich über Jurys aktuellen Fall unterhielten. «Ich weiß, Sie reden nicht gern darüber», sagte sie, «aber daß es Kinder sind, das hat mich wirklich zu Tode erschreckt. Sie verstummte kurz und trank noch einen Schluck Kaffee. Ich weiß, Sie dürfen nichts sagen, natürlich nicht, aber dieser Mensch, der muß doch verrückt sein», sagte sie, wobei sie sich mit dem Finger an die Schläfe tippte.
«Vermutlich, Mrs. Wasserman. Wir kennen das Motiv
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