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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nicht viel – Sir.» Das «Sir» ging ihm nur schwer über die Lippen.
    Und jedesmal merkte es Racer und hielt Jury eine kleine Standpauke darüber, daß er schließlich noch nicht so lange Superintendent sei. An dieser Rede mußte Racer noch im Schlaf feilen, sie war im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert worden und war jetzt so prächtig ausgeschmückt wie die Intaglioarbeit auf einer kostbaren Vase. Man konnte immer wieder über die Kunstfertigkeit des Meisters staunen.
    Jury gähnte.
    «Wo zum Teufel ist Wiggins? Was treibt er, abgesehen davon, daß er die Polizei von Dorset mit seiner Grippe ansteckt?»
    Jury antwortete nur, daß Wiggins in Devon sei.
    «Es ist Ihnen hoffentlich klar, daß dieser Geisteskranke ein gefundenes Fressen für die Presse ist. Drei tote Kinder, Jury, drei!» sagte er, wobei er drei Finger in die Luft hielt, als wolle er Jury erst das Zählen beibringen. «Und noch kein Verdächtiger festzunageln!»
    «Nein. Nicht bei dem Beweismaterial, das wir haben. Ich möchte noch mit dem Anwalt der Ashcrofts sprechen.»
    «Dann machen Sie hin, und zwar plötzlich! Ich habe hier weiß Gott genug zu tun!» Wovon er Jury angesichts des jungfräulichen Schreibtisches nicht so recht überzeugen konnte.
     
     
    «R OBERT A SHCROFT ? Den kenne ich so lange wie seinen verstorbenen Bruder James.» Mack schritt auf dem flauschigen Teppich auf und ab.
    Der Einrichtung nach zu schließen betreute Rechtsanwalt Mack mehr als nur eine betuchte Familie: dicke Teppiche, wertvolle Stiche an den Wänden, Mahagonimöbel, der Schreibtisch, der unter einer Bienenwachsschicht wie ein kleiner dunkler See glänzte. Und das Prachtexemplar einer eleganten Bronzekatze, ein antikes ägyptisches Stück vermutlich.
    Jury fand es interessant, daß Mack die Möglichkeit der Hochstapelei nicht rundheraus verwarf. Vielleicht war er aber nur ein sehr vorsichtiger Bursche, der jede Seite einer Angelegenheit prüfte, ganz gleich, wie facettenreich sie war.
    Als Macks Sekretärin mit einem Aktenstoß eintrat, blieb er stehen. Die junge Frau in ihrem teuren, klassisch eleganten Kleid – Haare, Haut, Nägel gepflegt und poliert wie die Schreibtischplatte – war das genaue Gegenteil von Fiona Clingmore, allerdings fehlte ihr das gewisse Etwas, Fiona hatte einfach mehr Pep. Während Jury zusah, wie der Anwalt Papiere unterschrieb, überlegte er, ob Platon sich in seinem Reich der Ideen nicht eher für Racer, Fiona und Cyril als für Mack, Miss Chivers und die Bronzekatze entschieden hätte.
    Mr. Mack schraubte seinen Füller zu, und Miss Chivers sammelte die Papiere ein. Jury lächelte sie an, als sie den Raum verließ, und sie errötete.
    Mack wendete sich wieder der Frage nach Ashcrofts Identität zu. «Nein, das kann nicht sein, Mr. Jury. Robert Ashcroft ist wirklich Robert Ashcroft. Als der Erbschein ausgestellt wurde, haben wir von Robert natürlich einen Identitätsnachweis verlangt – wie übrigens von allen Verwandten, beispielsweise auch von Victoria Gray.»
    «Ich wußte gar nicht, daß sie auch einen Teil des Ashcroft-Vermögens geerbt hat.»
    «Aber gewiß doch. Keine direkte Erbschaft, aber doch eine sehr namhafte Summe, die sie bekommen wird, falls Jessica etwas zustoßen sollte. Und was Robert betrifft, wirklich, da bin ich mir ganz sicher.» Er hatte wieder Platz genommen und das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt.
    «Und andere Legate? Gibt es noch weitere, namhafte?»
    «Ja. Eines an die Kirche. Und eins an die frühere Pflegerin seiner Frau, Elizabeth, eine Cousine von Lady Ashcroft.» Er streichelte die Bronzekatze. «Eine unangenehme Person, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt.» Ein Achselzucken; Anwälte konnten eben nicht wählerisch sein. «Jedenfalls waren es alles keine direkten Erbschaften. Und das ganze übrige Geld ging an Jessica.»
    «Damit meinen Sie, daß zu Jessicas Lebzeiten keiner der Erben auch nur einen Pfennig sieht.»
    Mr. Mack schüttelte den Kopf. «James Ashcroft wollte, daß alles Jessie zufällt. Wenn sie volljährig ist, kann sie die Erbschaften selbstverständlich auszahlen. Bis dahin ist Robert Testamentsvollstrecker und erhält ein ordentliches Taschengeld.»
    «Was meinen Sie mit ordentlich?»
    «Ich glaube, so um die fünftausend Pfund im Jahr.»
    Jury schüttelte den Kopf. «Ein Witz für Ashcroft. Davon könnte er sich seine teuren Launen nicht leisten. Nein, nein, Mr. Mack –», fügte er hinzu, denn der Anwalt hatte die Augen aufgerissen, «nicht Drogen. Automobile.

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