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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sollen.»
    «Warum? Sie können doch keine Gedanken lesen.»
    Eine kurze Pause entstand, vermutlich, weil Macalvie sich das erst mal durch den Kopf gehen lassen mußte.
    «Was wollen Sie denn von Wiggins?»
    «Ich möchte ihn sprechen.»
    «Habt Ihr beide Geheimnisse?»
    «Nein. Ich möchte etwas überprüfen. Hören Sie auf zu maulen, und holen Sie ihn ans Telefon!»
    «Sir!» Wiggins schien strammzustehen.
    Jury seufzte. «Rühren, Sergeant. Passen Sie auf. Als wir bei den Rileys waren, das heißt, als wir gingen, haben Sie da das große gerahmte Zeugnis über dem Kamin bemerkt?»
    «Ja. Mrs. Riley war früher Krankenschwester.»
    «Wie lautete ihr Name?» Wiggins vollbrachte keine Heldentaten, wenn es darum ging, Fakten zu interpretieren und daraus eine Lösung zu konstruieren, aber er hatte in der Regel ein verläßliches Gedächtnis.
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Wiggins dachte nach; Jury ließ ihm Zeit. Hörte Jury Papier knistern? Wahrscheinlich öffnete Wiggins gerade eine neue Tüte Fisherman’s Friends. «Elizabeth Allan, Sir.»
    «Das dachte ich mir, Wiggins. Danke. Und danken Sie auch Plant für seinen Brief. Ist heute morgen gekommen.» Jury legte auf und bezahlte seinen Kaffee, von dem er keinen Schluck getrunken hatte.
     
     
    «W AS TUT ES DENN ZUR S ACHE , daß ich Krankenschwester bin?» fragte Beth Riley. «Was hat das mit Simon zu tun?»
    «Vielleicht gar nichts, vielleicht aber auch eine ganze Menge», antwortete Jury und schenkte ihr aus einer Flasche Jameson’s nach, die er in weiser Voraussicht mitgebracht hatte. Sie streckte ihr Glas der Flasche entgegen. Beth Riley saß im selben rosafarbenen Sessel wie schon bei Jurys erstem Besuch. Heute war allerdings ihr Mann nicht da, und sie wußte offenbar nicht so recht, ob sie sich geschmeichelt fühlen oder Angst haben sollte, weil der Superintendent sie besuchen kam. «Sie haben Lady Ashcroft gepflegt und sind außerdem ihre Cousine. Also kennen Sie Jessica und Robert Ashcroft.»
    Sie antwortete unwirsch: «Ja. Aber nicht sehr gut. Jessica war noch ganz klein, und der Bruder – den habe ich ab und zu im Haus am Eaton Square gesehen. Das war, bevor Barbara so krank wurde und rund um die Uhr eine Pflegekraft brauchte.»
    «Hat er sich sehr verändert?»
    «Verändert? Komische Frage. Zehn Jahre in Australien dürften wohl jeden verändern.»
    «Ich meine, sah er so aus, wie Sie ihn in Erinnerung hatten?»
    Wieder kräuselte sie die Stirn. «Jaaa – also, Momentchen mal.» Sie beugte sich zu Jury, und ihre protzige Bergkristallbrosche funkelte im Lampenlicht. «Wollen Sie damit andeuten, daß er nicht Robert Ashcroft ist?» Der Gedanke schien ihr zu gefallen. Mrs. Riley hatte James Ashcrofts Testament von allen Verwandten am vehementesten angefochten.
    «Nein», sagte Jury und sah zu, wie sich ihre Hoffnungen so schnell verflüchtigten wie der Jameson’s in ihrem Glas. Spätestens beim dritten Glas würde sie wohl das heulende Elend überkommen. «Nein, ich tappe noch im dunkeln und hoffe, daß ich über die richtige Antwort stolpere.»
    Jury schenkte Beth ein weiteres Glas ein und musterte die Sammlung über dem Kamin: ihr Schwesterndiplom mit dem Goldsiegel, die Familienfotos, das Wappen aus Mahagoni. Es war das gleiche Wappen wie auf Plants Briefpapier, die gleiche Helmzier, der Brachvogel, alles so kunstvoll gearbeitet wie die Bibel-Illumination eines Mönches.
    «Niemand ist vollkommen», sagte Beth. «Ich habe unter meinem Stand geheiratet. Oh, nicht daß AI kein guter Hausvater wäre …»
    Jury wollte nichts über Rileys gute Seiten hören, denn auf die schlechten würde sie hinterher zwangsläufig auch kommen. Ihn interessierten Tatsachen, nicht ihre seelische Verfassung und die Geschichte ihrer Ehe. «Wie stehen – standen Sie zur Familie Ashcroft, Mrs. Riley?»
    «Sie können mich ruhig Beth nennen», sagte sie mit einem neckischen Blick.
    Vermutlich mußte er sie Beth nennen, wenn er etwas aus ihr herausholen wollte. Er zwang sich, ein freundliches Lächeln aufzusetzen. «Beth. Wie standen Sie nun zu den Ashcrofts?»
    «Dieser Robert behandelt mich, als sei ich ein x-beliebiges Pferd in seinem Stall.» (Jury fand, daß Robert gar nicht falsch lag.) «Dabei bin ich eine Cousine von Barbara. Und zwar ersten Grades.» Sie wollte ganz sichergehen, daß Jury auch begriff, daß es keine Verwandtschaft um etliche Ecken war. «Wir sind beide im County Waterford geboren. Ich bin nach England gekommen, als ich noch ganz klein war,

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