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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Wohnzimmers, in dem sie ihre Bücher schrieb, hatte man einen guten Blick auf die Hauptstraße: Sie konnte über die Grünanlage bis zur Polizeiwache rechts davon und zum Blue Boy links davon sehen.
    Gewöhnlich nahm sie das Treiben auf der Straße gar nicht wahr. Ihre Augen registrierten zwar das Kommen und Gehen, aber ihre Gedanken waren bei ihrer Geschichte. Das war die Regel. Heute schien es jedoch umgekehrt zu sein.
    Mit etwas Zyankali in der Partybowle hatte sie gerade Julia Bodenheim ins Jenseits befördert. Ihre Finger bewegten sich wie von selbst, wenn es darum ging, einen der Bodenheims aus der Welt zu schaffen. Es entging ihr also kein Detail von dem, was sich im Umkreis der Polizeiwache abspielte. Während ihre Finger Julia vergifteten, verfolgten ihre Augen, wie der Mann von Scotland Yard mit Peter Gere den Rasen überquerte.
    Polly fragte sich, was Emily dort zu suchen hatte: Emily tat das, was Polly am liebsten getan hätte. Es war zwar schon nach zwei, aber doch nicht zu spät, um noch etwas zu essen. Bestimmt waren sie zum Mittagessen gegangen. Nichts hinderte sie daran, das auch zu tun. Sollte sie, sollte sie nicht, sollte sie doch.
    Ihre Finger ruhten auf einer mit Arsen gewürzten Aubergine, während sie sich ihren ersten Schachzug überlegte: «Scotland Yard? Oh! Ich wußte gar nicht, daß die Polizei von Hertfield sich Verstärkung geholt hat.»
    Ziemlich langweilig. Wie war es mit: «Ich kann mir vorstellen, daß Sie Krimis, in denen vom Scotland Yard die Rede ist, gleich wieder aus der Hand legen, Superintendent?»
    Albern. Sollte sie ihn vielleicht fragen, wie sie im dritten Kapitel vorgehen sollte? Das wäre so plump, daß sie bestimmt keine Chancen mehr bei ihm hätte. Erwartete sie von ihm, daß er seine Ermittlungen einstellte, um ihr eine Nachhilfestunde in Kriminologie zu geben?
    Frustriert ließ sie sich auf ihren Stuhl zurückfallen und drückte fast ihre Katze Barney platt. Sie hatte sich dieses Plätzchen ausgesucht, weil es am sonnigsten war.
    Abgehackte Finger. Polly stützte den Kopf auf die Hände und dachte nach, fand aber keine Erklärung. Sie beugte sich wieder vor, verschränkte die Arme auf ihrer Schreibmaschine, legte das Kinn darauf und starrte aus dem Fenster. Sie sah, wie das Tor zum Garten des Bold Blue Boy auf- und zuging. Auf und zu, auf und zu … und darauf saß Emily Louise, die alles noch viel genauer verfolgte als sie. Als zehnjährige Göre konnte man sich so auffällig benehmen, wie man wollte.
    Das ist einfach lächerlich, sagte sie sich, stand auf und strich ihr Twinset glatt. Sie würde einfach über die Grünanlage zum Gasthof gehen.
    Nein, doch nicht.

5
    « Wer ist denn die Kleine mit dem sorgenvollen Blick?» fragte Jury, der aus dem offenen Fenster des Bold Blue Boy schaute. Sie saß auf dem hin- und herschwingenden Tor.
    «Emily Louise Perk», antwortete Peter Gere, ein Käsebrot mit Gurkenscheibchen in der Hand. «Sie hängt immer herum. Ihre Mutter arbeitet in Hertfield, ihr Vater ist tot. Vielen Dank, Mary.»
    Die Frau, die ihnen das Bier hinstellte, hatte einen vagen, ausdruckslosen Blick, als schaue sie sie durch eine regennasse Scheibe an. Sie war mittleren Alters, dunkelhaarig und bestimmt einmal sehr hübsch gewesen – vielleicht noch vor zwei Wochen, bevor diese Sache mit ihrer Tochter passierte. Sie sagte nur, sie sollten es sich schmecken lassen, und entfernte sich wieder.
    Peter, der Jury von Katie O’Briens Unfall erzählt hatte, fuhr fort: «Mary konnte sich nicht erklären, wieso sie nicht die Sachen trug, die sie angehabt hatte, als sie von zu Hause wegging. Mary bestand auf Kleidern und Röcken. Katie muß sich also irgendwo umgezogen haben, denn sie hatte Jeans und ein pinkfarbenes T-Shirt an. In ihrer Einkaufstasche war auch ein Päckchen Zigaretten. Und einer von diesen Schmökern, die Mädchen in ihrem Alter verschlingen, ein Heartwind-Roman, soviel ich mich erinnere. Ihre Mutter war jedenfalls strikt dagegen, daß sie Zigaretten rauchte oder solche Schmöker las –»
    «Sie sind doch wohl ziemlich harmlos», sagte Sergeant Wiggins, der jetzt, wo er sein Essen vor sich hatte, schon sehr viel gesünder aussah. «Es gibt Schlimmeres –» Als er Jurys fragenden Blick bemerkte, meinte er: «Na ja, Sie erinnern sich doch bestimmt an Rosalind van Renseleer. Ich hab ein paar von ihren Romanen gelesen …» Er verstummte und widmete sich wieder seinem belegten Brot.
    «Ihre Mutter ist wohl ziemlich streng, was?» Gere nickte.
    «Und

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