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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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haben weder nach der Speisekarte noch nach Tante Agatha gefragt, aber schon sprechen Sie von abgehackten Fingern. Ich muß sagen, Sie verlieren keine Zeit, selbst wenn Sie zwei Stunden zu spät zum Abendessen kommen. Mrs. O’Brien ist die Freundlichkeit in Person, obwohl sie auch ihre Sorgen hat – sie hat jedenfalls die Küche offengehalten, während Molly, unsere Serviererin, sich nur ungern bereit zeigte, auf Sie zu warten. Bis ich ihr dann etwas in die Hand drückte. Ich habe mir erlaubt, schon einmal zu bestellen. Sie nehmen mir das hoffentlich nicht übel. Es gibt Steaks und Pommes frites, Seebarbe und Pommes frites, Scholle und Pommes frites. Eine verwirrende Speisekarte, aber Molly half mir bei der Wahl, indem sie mich wissen ließ, daß Seebarbe und Scholle gestrichen seien. Ich entschied mich also für das Steak. Wie geht’s Ihnen, Superintendent? Ich gratuliere Ihnen zu der längst überfälligen Beförderung.»
    Jury lächelte. «Tut mir leid, daß ich so spät komme. Und noch mehr bedauere ich, daß es mit dem Wochenende in Northants nicht geklappt hat. Mein Boss hat irgendwie Wind davon gekriegt, daß ich ein paar Tage Ferien machen wollte, und sofort alle andern Namen auf dem Dienstplan gestrichen.»
    «Wie geht es denn Ihrem Boss Racer? Beschissen, hoffe ich.»
    «Vielleicht wird er uns bald verlassen. Die Unzufriedenheit in der Chefetage scheint zu wachsen.»
    «Kann mir nicht vorstellen, warum. Da kommt Molly ja mit dem Wein!» Melrose reckte den Hals nach einer stämmigen, jungen Frau mit einem dicken Zopf und einem Tablett, die eben aus der Küche kam.
    Molly stellte schwungvoll eine Flasche Wein auf den Tisch.
    «Das Etikett brauchen wir uns nicht anzuschauen», sagte Melrose und füllte ihre Gläser. «Sollen wir uns wieder den abgehackten Fingern zuwenden? Agatha wird untröstlich sein, so etwas verpaßt zu haben. Ich hab ihr natürlich nicht erzählt, daß ich hierherfahre. Wenn sie es erfährt, wird sie heiße Tränen über ihren Cremetörtchen vergießen. Erinnert mich an das Walroß, das über seinen Austern weinte, bevor es sie verschlang … Aber zu Ihrer Frage: Warum ich eine Hand abhacken würde? Zuerst wüßte ich gerne, um welche Hand handelt es sich?»
    «Um die linke.»
    «Ich dachte zuerst an Leichenstarre – daß sie vielleicht etwas in der Hand hielt und er die Finger nicht aufkriegte. Aber ich bin wieder davon abgekommen, weil es doch ziemlich lange dauert, bis die Leichenstarre eintritt. Also scheidet das aus –»
    «Im Gegenteil, es gibt so etwas wie eine kataleptische Starre: Schlagartiges Erstarren der Muskulatur nach Eintritt des Todes. Ist nicht gerade häufig, aber bei einem gewaltsamen Tod, bei heftiger Erregung, tritt manchmal im Augenblick des Todes ein solcher Spasmus ein. Es soll vor allem im Krieg vorgekommen sein. Ich erinnere mich an ein paar Beispiele: Männer mit ihren Gewehren im Anschlag. Oder die sogenannte ‹Teegesellschaft› – Soldaten in einem Graben, die von einer Bombenexplosion überrascht worden waren und bei ihrer letzten Tätigkeit erstarrten. Einer hatte eine Feldflasche an die Lippen gesetzt. Wenn jedoch die richtige Leichenstarre eingesetzt hat, läßt sich so etwas nicht mehr feststellen.»
    «Sie denken also, sie hielt etwas in der Hand? Etwas Belastendes?»
    Jury schüttelte den Kopf. «Nein, ich denke, daß sie etwas Belastendes anhatte. Oder zumindest etwas, was nicht bei ihr gefunden werden sollte.»
    Melroses nächste Frage wurde durch Mollys Erscheinen unterbrochen. Sie beugte sich zu ihnen hinunter; ihren durch die Arbeit abgehärteten Händen schienen die heißen Teller, die sie trug, überhaupt nichts auszumachen.
    «Die Steaks.» Sie stellte die Teller auf den Tisch und warf ihren langen Zopf über die Schulter. «Wir machen Schluß. Was wolln Sie zum Nachtisch?»
    Melrose entfaltete die Serviette auf seinem Schoß. «Soufflé Grand Marnier, bitte.»
    Gelassen meinte Molly: «Wir haben nur Brotpudding.»
    «Nicht für mich, danke.»
    Jury verzichtete ebenfalls auf den Nachtisch.
    «Wie Sie wollen», sagte sie mit einem Achselzucken, das zu besagen schien, daß nur ein Schwachkopf diesen Pudding ablehnen würde.
    Als Molly wieder gegangen war, sagte Jury: «Fassen wir mal zusammen: Als Appetithäppchen – wie Molly sagen würde – hatten wir diese anonymen Briefe. Und zum Nachtisch den Mord an Cora Binns. Was mich jedoch interessiert, ist das Hauptgericht: Katie O’Brien und ein gewisser Trevor Tree. Sie erinnern sich

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