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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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die Armen des East End zu starten; die Männer – zumindest die beiden, die aus dem «Three Tuns» heraustaumelten – nahmen an, diese Halluzination hätte etwas mit den zehn Flaschen Abbot zu tun, die sie auf eine Wette hin zusammen geleert hatten. Um das, was sie für eine Halluzination hielten, zu verscheuchen, kehrten sie schnurstracks in die Kneipe zurück, um sich mit ein paar weiteren Drinks wieder klare Sicht zu verschaffen. Melrose hatte zweimal angehalten und gefragt, welche der Bruchbuden am Ende der Straße denn das «Anodyne Necklace» sei, und jedesmal nur staunend aufgerissene Münder zu Gesicht bekommen. Er fragte sich gerade, wo er seinen Wagen abstellen sollte, als er Jurys Dienstwagen entdeckte. Es gelang ihm, den Rolls in eine Lücke zwischen dem Ford und einem völlig verrosteten Mini ohne Windschutzscheibe zu bugsieren.
    Als er ausstieg, sah er, daß Jurys Auto vor einem Haus parkte, das seinen beiden Nachbarn beinahe aufs Haar glich, nur daß es noch heruntergekommener aussah. Nur die abblätternde Farbe ließ erahnen, daß es einmal ganz einladend ausgesehen haben mußte. Hinter dem vorhanglosen Fenster bewegte sich eine dunkle Gestalt wie ein Fisch in einem Aquarium. Das dreckigste Rudel Kinder, das ihm je zu Gesicht gekommen war- fünf, nein sechs, da in ihrer Mitte auch noch der Kopf eines Babys auftauchte –, hatte sich über einen alten Kinderwagen hergemacht, aber sofort wieder davon abgelassen, als der Silver Shadow auftauchte, um zu beobachten, wie er in die Lücke einparkte, ein sehr kompliziertes Manöver. Melrose vergewisserte sich, ob die Tür abgeschlossen war.
    «Könnt ihr mir bitte sagen, wo das ‹Anodyne Necklace› ist?» Ein schielendes Kind wollte antworten, bekam aber von einem der Großen sofort einen Stoß in die Magengrube. Er sagte: «Klar, könn wer schon, was isses Ihnen wert?» Er blickte zu Melrose hoch, und sein Mondgesicht nahm den frechsten Ausdruck an, der ihm zu Gebote stand; seine Wimpern waren so hell, daß die Augen lidlos wirkten.
    Melrose warf ihm eine Fünfzigpencemünze zu, nach der er schnappte wie ein Frosch nach einer Fliege. Der Junge zeigte auf die Häuser am Ende der Straße: «Dahinten.»
    Am spitz zulaufenden Ende der Straße schienen ein paar Geschäfte zu sein; dazwischen stand ein schmales Gebäude mit einer unauffälligen Fassade, von der auch ein Schild hing. Melrose wandte sich nach dem Haus hinter ihm um.
    «Wohnt ihr da?»
    «Schon möglich», sagte der mondgesichtige Junge.
    «Und habt ihr den Herrn gesehen, dem dieses Auto gehört?» Melrose zeigte mit seinem Spazierstock auf den Ford.
    Er wurde mit einem weiteren schlauen Lächeln belohnt: «Schon möglich.»
    «Mama is zu Haus!» piepste das einzige Mädchen unter ihnen, das geräuschvoll am Finger gelutscht hatte und nun einen Tritt ans Schienbein bekam, weil es Melrose diese Information hatte zukommen lassen. Die andern vier, die Melroses Auto zuerst nur aus respektvoller Ferne betrachtet hatten, rutschten inzwischen wie eine Schar Schnecken auf ihm herum.
    Es gelang ihm, das Kleinste mit seinem Spazierstock zu angeln und auf den Bürgersteig zu befördern. Dann ließ er alle sechs der Reihe nach antreten und gab jedem ein Geldstück. «Vielleicht liegt noch mehr drin. Wenn ihr aber mein Auto trotzdem nicht in Ruhe laßt», fügte er mit einem gewinnenden Lächeln hinzu, «dann muß ich euch die kleinen Ärmchen und Beinchen brechen.»
    Diese Drohung schien sie eher zu belustigen als einzuschüchtern. Der Mondgesichtige, der auf den Namen «Sookey» hörte, öffnete den Mund zu einer Erwiderung, aber da hatte Melrose schon seinen Spazierstock gegen das von ihnen gebildete Mäuerchen vorschnellen lassen, so daß sie umpurzelten wie Dominosteine, wobei sie nicht aufhörten zu kichern. Dann sprangen sie die Straße hinunter zu den Läden; Sookey versuchte, den Kleineren ihr Geldstück abzunehmen, was ihm mehrere Tritte in die Leistengegend eintrug.
    Melrose begab sich zum Haus Nummer vierundzwanzig.
     
    Die Frau, die auf sein Klopfen hin geöffnet hatte und nun den Türrahmen ausfüllte, war die dickste Frau, die Melrose je gesehen hatte. Ihr voluminöses Hauskleid bauschte sich über den von Hosen bedeckten Beinen. Eine interessante Zusammenstellung, dachte er. Sie hatte sich jedoch offensichtlich einige Mühe mit ihrer Aufmachung gegeben: Das Haar war nach hinten gekämmt und wurde von einem grünglänzenden Band zusammengehalten; Lippenstiftrot sickerte in die Linien um ihren

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