Intimer Betrug
sein Cousin fertig war, bevor er ihn mit einem harten Blick fixierte. »Setz dich.«
»Ich stehe lieber, Euer Gnaden. Wenn Sie zudem bald zum Ende kommen könnten«, fügte er hinzu und zog sich hinter seine übliche Maske der Gleichgültigkeit zurück, »würde ich mich lieber empfehlen. Ich habe noch eine wichtige Verabredung und ich denke, dass mir das Glück heute hold sein wird.«
Vincent wiederholte den Befehl, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Setz dich.«
Sein Cousin zögerte, als zöge er tatsächlich in Betracht, die unübersehbaren Warnsignale, die sein Vormund aussandte, zu ignorieren. Doch seine Vernunft gewann die Oberhand. Er nahm Platz und wartete.
Vincent hob den dicken Stapel Rechnungen kurz an und ließ ihn wieder auf den Schreibtisch fallen. »Ich werde noch heute meinen Anwalt veranlassen, all diese Rechnungen vollständig zu begleichen.«
Ein wissendes Lächeln umspielte die Mundwinkel des jungen Gecks.
»Jeder Zahlung wird ein von mir unterzeichneter Brief beigefügt, der jeden einzelnen Geschäftsinhaber und Händler darüber informiert, dass dies die letzten Schulden seines Cousins Kevin Germaine sind, für die der Duke of Raeborn noch aufkommt.«
Germaine sprang aus seinem Sessel auf. »Was sagen Sie da?«
»Du hast mich gehört, Kevin. Du bekommst kein Geld mehr von mir.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein! Sie haben meinem Vater versprochen …«
»Ich habe deinem Vater versprochen, für dein Wohl zu sorgen«, fiel Vincent ihm ins Wort. »Und genau das habe ich vor. Du musst noch viel lernen, um die riesige Verantwortung tragen zu können, die irgendwann auf deinen Schultern liegen wird.«
Vincent ging zur Anrichte und schenkte sich einen großzügigen Whiskey ein. Normalerweise trank er nur am späten Nachmittag ein Glas Brandy vor seinen abendlichen Verpflichtungen, doch heute brauchte er einen Whiskey. Er nahm einen großen Schluck und wandte sich wieder seinem Cousin zu.
»Von heute an werde ich die monatlichen Kosten für dein Stadthaus hier in London tragen. Zudem bezahle ich die Jahresgehälter der … zehn? … fünfzehn? …«
Germaine zuckte defensiv mit den Achseln. »Zwanzig.«
Vincent hob die Augenbrauen. »… zwanzig Dienstboten, die du offenbar für deine Haushaltsführung benötigst. Außerdem werde ich dir das Anwesen Castle Downs urkundlich übertragen. Es gehört dir.«
Germaines Unglauben war fast mit Händen zu greifen. Es brach sich in Form eines lauten, fast wahnsinnig klingenden Lachens Bahn.
»Mit dem Stadthaus kannst du machen, was du willst«, fuhr Vincent fort. »Du kannst es verkaufen oder behalten. Das ist mir gleichgültig. Castle Downs hingegen gehört seit über vierhundert Jahren den Raeborns. Es darf niemals verkauft werden. Das lege ich schriftlich fest.«
»Und meine vierteljährliche Apanage, Euer Gnaden?«, fragte Germaine mit zusammengebissenen Zähnen.
»Du bekommst, was dein Vater in seinem Testament für dich festgelegt hat.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein! Wie soll ich von dieser läppischen Summe leben?«
Vincent ignorierte die Feindseligkeit in dem normalerweise so freundlichen Gesicht seines Cousins. »Castle Downs hat dieFamilie Raeborn stets mit einem ausreichenden Einkommen versorgt. Wenn es gut bewirtschaftet wird, solltest du mehr als genug haben, um davon zu leben.«
Zorn loderte in den Augen seines Cousins und seine Nasenlöcher blähten sich. »Das werde ich nicht hinnehmen. Sie können nicht von mir erwarten, so zu leben. Ich habe nicht die Absicht, mich aufs Land zurückzuziehen wie ein einfältiger Tor.«
»Das ist deine Entscheidung. Ich statte dich mit den Mitteln aus, deinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Was du daraus machst, liegt an dir.«
Vincents junger Cousin ballte die Fäuste und trat einen Schritt näher auf ihn zu. »Warum tun Sie das?«
»Weil du mein Erbe bist. Der einzige Erbe, den ich je haben werde.«
Die Spannung zwischen ihnen knisterte förmlich in der Luft. Sekundenlang standen sie sich reglos gegenüber. Als Vincent schließlich sprach, war seine Stimme ruhig und leise, sein Ton jedoch bedrohlicher, als wenn er geschrien hätte.
»Nach meinem Tod erbst du einen der angesehensten Titel in England sowie genügend Vermögen, um ihn mit dem ihm zustehenden Ansehen zu bewahren. Nichts von dem, was mir gegeben wurde, ist mein Verdienst. Es wurde von denen verdient, die vor mir kamen, und von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Doch dieses Geschenk hat
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