Intimer Betrug
nichts anderem mehr fähig, klammerte sich Grace an ihn. Ihre Beine waren nicht kräftig genug, sie zu halten, ihre Knie nicht mehr ruhig genug, sie zu tragen. Sie hielt sich an ihm fest und erwiderte seinen Kuss mit nie gekannter Verzweiflung. Mit einem so verzehrenden Verlangen, dass sie nicht glauben konnte, ohne das, was er ihr gab, weiterleben zu können. Und als er sich von ihr zurückzog, hatte sie fast das Gefühl zu sterben.
Seine Lippen hielten auf ihren inne. Dann hob er den Kopf und löste sich von ihr. Sie unterdrückte einen Schrei, da seinFernbleiben nahezu schmerzhaft war. Doch er ließ sie nicht los. Schwer seufzend zog er sie an sich und hielt sie fest, bis sich ihre Atmung wieder beruhigt hatte. So blieben sie lange stehen.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, wieder nach drinnen zu gehen«, sagte er schließlich. »Die Leute werden über uns reden, wenn wir noch lange hier draußen bleiben.«
Er reichte ihr den Arm und sie ließ sich von ihm zurück ins Haus führen.
»Geht es Ihnen gut?«, frage er besorgt, als sie den warmen Ballsaal betraten.
Sie wollte ihm leichthin antworten, dass das selbstverständlich der Fall sei, brachte jedoch nur ein Nicken zustande.
»Bleiben Sie hier, ich hole uns eine Erfrischung. Ich bin gleich wieder zurück.«
Wieder nickte sie und er ließ sie allein. Sie sah ihm nach, wie er quer über die Tanzfläche lief, wobei jeder Zoll von ihm eine überwältigende Energie und Eleganz ausstrahlte. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden.
»Eine höchst eindrucksvolle Persönlichkeit, nicht?«
Als Grace sich umdrehte, stand sie einem sehr großen, sehr attraktiven Fremden gegenüber, dessen lächelnde Augen dem Lächeln in seinem Gesicht entsprachen. Sie fühlte sich sofort zu ihm hingezogen, ohne zu wissen warum, wenn sie davon absah, dass er Vincents dunkle Haare und tiefschwarze Augen hatte.
»Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie erschreckt habe, Mylady.«
Grace atmete ein paar Mal tief durch. »Das haben Sie eigentlich nicht. Ich habe Sie nur nicht bemerkt.«
»Erlauben Sie mir, mich Ihnen vorzustellen. Ich bin Kevin Germaine. Raeborns Cousin.«
Grace konnte ihre Überraschung nicht verhehlen, als Germaine sich tief vor ihr verbeugte und ihr einen formvollendeten Handkuss gab. Als er den Blick wieder zu ihrem Gesicht hob, lag eine Offenheit in seinen Augen, die ihn ihr sofort sympathisch machte.
»Ah«, sagte er und legte lässig den Kopf schief. »Wie ich sehe, hat Seine Gnaden es versäumt, Ihnen von seiner Familie zu erzählen.«
»Ein Versehen, auf das ich ihn ganz sicher aufmerksam machen werde.« Grace sagte das in aller Aufrichtigkeit, bemerkte jedoch plötzlich, wie wenig sie über Vincent wusste. Wie wenig sie sich nach seiner Familie und seiner Vergangenheit erkundigt hatte. »Sie sagten, Sie seien Vettern?«
»Ja. Mein Vater und Raeborns Vater waren Brüder. Mein Vater starb, als ich sechzehn war, worauf Raeborn zu meinem Vormund ernannt wurde.«
»Ihrem Vormund?«
»Ja. Mein Vater war so klug, Seiner Gnaden die Verantwortung für mein Erbe sowie für meine Erziehung zu übertragen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, welch großen Einfluss Raeborn auf mein Leben hatte.«
Grace vermeinte, einen Schimmer von etwas Dunklem in Germaines Blick wahrzunehmen, doch als sie wieder hinsah, war es verschwunden. Sie musste es sich eingebildet haben. »Und findet dieses Arrangement Ihre Billigung?«
»Wieso sollte es nicht, Mylady? Ich kann mir keinen pflichtbewussteren Treuhänder vorstellen als Raeborn. Keinen, der besser die Kontrolle über alles ausüben würde. Ich kann mir kaum vorstellen, wie mein Leben aussähe, wenn es Raeborn nicht gäbe, um mein Erbe zu verwalten.«
»Dann müssen Sie und Raeborn sich sehr nahe stehen.«
Germaine lächelte. »Ich denke schon. Ich bin sein einziger noch lebender Verwandter, weshalb ich auch enttäuscht bin, dass er mir nichts von Ihnen erzählt hat. Oder Ihnen von mir.«
»Ich kann Ihre Enttäuschung nachempfinden«, erwiderte sie lächelnd.
»Es hat mich überrascht, als ich rein zufällig erfuhr, dass er wieder auf Brautschau ist. Sie können sich nicht vorstellen, wie bestürzt ich darüber war.«
»Bestürzt?«, wiederholte Grace und verspürte tief in ihrem Bauch ein nervöses Zucken.
»Aber ja. Insbesondere wenn man die Tragödie in Betracht zieht, dass er nicht nur eine, sondern gleich zwei Ehefrauen verloren hat. Und seine Erben gleich mit ihnen. Ich bin ungemein erleichtert, dass er seine Meinung
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