Irgendwas geht immer (German Edition)
weit gegangen und habe eine völlig neue Figur erschaffen, ›Quim‹, und keiner hat nachgefragt. Diese Schwachköpfe … Sie wollten allen Ernstes von mir wissen, wie Quim aussah, wie er redete und all das …«
Ich bekam einen Lachkrampf, der in ein ziemlich unattraktives Schnauben umschlug. Manche Leute behaupten ja, dass man so heftig lachen kann, dass einem die Rippen weh tun, und genau so war es bei mir. So heftig, dass ich um Gnade winselte. Es war herrlich. Unglaublich.
Früher habe ich sehr viel gelacht. Mein reizender Ehemann brachte mich ständig zum Lachen. Ich glaube, das könnte er auch heute noch. Wenn er es versuchen würde. Ich glaube, er hat aufgehört, es zu versuchen. Aber wieso?
Egal. Heute hat es keiner versucht. Meine Kollegen waren einfach nur gnadenlos witzig. Das war die größte Überraschung überhaupt. Wie leicht es ist, abzuschalten und sich zu entspannen, wenn man sich weder alt noch unsichtbar fühlt. Es ist toll. Wirklich toll.
NEUNUNDDREISSIG
OSCAR
Für gewöhnlich bin ich vollauf damit zufrieden, meine Zeit am Wochenende in der Zurückgezogenheit meines Zimmers zu verbringen, da ich sehr häufig unter völliger Erschöpfung, bedingt durch die akademische Arbeitslast, leide. Dabei ist es noch nicht einmal die Arbeit selbst, die mich ermüdet, empfinde ich doch die allgemeinen Anforderungen an meiner Schule als geradezu lachhaft. Nein, vielmehr zwingt mich die schiere Quantität der Hausaufgaben gelegentlich dazu, abends stundenlang in meiner Stube zu schmoren.
Zwar bin ich kein Zeitgenosse, der sein Leben mit hedonistischen Albernheiten vergeuden will, doch ab und zu sollte jedem die Möglichkeit geboten sein, ein wenig der Entspannung anzuhängen. Das Leben besteht nicht nur aus reinen Annehmlichkeiten, ich weiß, doch kann ein gewisses Interesse an Freizeitvergnügungen für die Erziehung eines vielversprechenden Sprosses unseres wunderschönen Landes doch nur gesund und richtig sein, oder nicht? Und genau aus diesem Grunde beschloss ich, an diesem Wochenende meinem Eremitendasein für eine Weile zu entfliehen, und nahm die Einladung zu Rowes sechzehntem Geburtstag an, die am Samstag im Hause seiner Eltern stattfinden sollte.
Doch was sollte ich anziehen? Ach, besäße ich doch nur jenes Smokingjackett, nach dem ich mich seit Jahren sehne. Ein wohlgeschneidertes, anständiges Satinjackett mit Paisleymuster, ausladendem Revers und drei wuchtigen Knebelknöpfen im chinesischen Stil, vielleicht in Grün, einem tiefen Dunkelgrün, wie es eines Gentlemans würdig ist. Oh ja, das wäre herrlich. Doch bis dahin werde ich mich wohl oder übel mit dem alten Morgenmantel des Vaters zufriedengeben müssen, den ich habe ändern lassen. Er erfüllt seinen Zweck, viel mehr jedoch nicht. Ich habe wiederholt bei Mutter und Vater anklingen lassen, dass ein anständiges Smokingjackett ein weit passenderes Geschenk an mich wäre als irgendwelche technischen Kinkerlitzchen wie iPhone und dergleichen. Nun, vielleicht darf ich ja auf eine solche Erweiterung meiner Garderobe zu meinem nächsten Geburtstag hoffen, wer weiß?
In der Zwischenzeit muss ich mich wohl oder übel mit dem abgeschnittenen Morgenrock und den Seidenslippers, meinem Markenzeichen, begnügen, die bei jedem fröhlichen gesellschaftlichen Ereignis zum Einsatz kommen. Ich beschloss, mein Outfit durch mehrere um einen von Mamas Schals gewundene Perlen- und sonstige Halsketten aufzuwerten, die ich mir keck um den Hals drapierte. Von Zeit zu Zeit bin ich von meiner eigenen Phantasie beeindruckt.
Als ich fertig war, verströmte ich eine geradezu dekadente Lasterhaftigkeit. Rowe lebt in einer zu einem Golfplatz gehörigen Wohnsiedlung – eine Gegend, die sich weitaus elitärer anhört, als sie in Wahrheit ist. Für mich ist sie nichts anderes als der erbärmliche Versuch, bei all jenen Eindruck zu schinden, die sich leicht blenden lassen. Doch kann wohl niemand Rowe für den fehlgeschlagenen Ehrgeiz seiner hoffnungslos in der unteren Mittelklasse dahinvegetierenden Eltern verantwortlich machen, ebenso wenig wie ich für den der meinen. Doch legen meine zumindest ein Mindestmaß an Geschmack an den Tag und leben nicht schamlos über ihre Verhältnisse – ein Attribut, für das ich ihnen großen Respekt zolle. Sie sind aufrichtige, wenn auch langweilige alte Menschen und geben nicht vor, etwas anderes zu sein, was durchaus ratsam ist; darüber hinaus zeigen sie großes Verständnis für mein unstillbares Bedürfnis, mich der
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