Irgendwo dazwischen (komplett)
Platz.“ Ich starre
ihn an. „Außerdem wollte Paul ausziehen, aber es war mir wichtig, dass er in
der Nähe ist.“ Immer noch starre ich ihn an und sage nichts.
„Schatz?“
„Tut mir
Leid Marie, wir müssen. Aber auf dem Tisch in der Küche liegt ein Schlüssel für
die Wohnung oben... Hörst du die Musik? Das ist Paul.“ Er streckt mir seinen
Wohnungsschlüssel entgegen. „Wirf mir den Schlüssel später einfach in den Briefkasten.“
Ich nehme den Schlüssel, dann dreht er sich um und geht in Richtung Straße.
„Wenn er dich nicht hört, dann kannst du einfach reingehen, das stört ihn
sicher nicht.“ Dann winkt er mir, und auch Simona winkt. Und weil ich nicht
unhöflich sein will, winke ich auch.
Mit dem
Schlüssel in der Hand stehe ich vor Pauls Wohnungstür. Meine Finger zittern.
Meine Knie auch. Ich klingle ein zweites Mal. Aus der Wohnung höre ich laute
Musik. Ein paar Sekunden warte ich, dann schließlich stecke ich den Schlüssel
ins Schlüsselloch und sperre auf. Ich stehe im Flur. Die Wohnung sieht genauso
aus wie die seines Vaters, nur dass von diesem Flur nur vier Zimmer weggehen,
anstelle von sechs. Bis auf eine Tür sind alle offen. Es müsste die zum Bad
sein, wenn diese Wohnung so geschnitten ist wie die andere. Ich folge dem Klang
der Musik. Im Wohnzimmer stehen einige Kisten, ein Sofa, ein Fernseher und eine
Anlage. Unsicher gehe ich zurück in den Flur. Ich frage mich, ob Pauls neues
Bad auch eine so riesige Badewanne hat. Ich stecke den Kopf ins Schlafzimmer.
Sein Bett, ein paar Kisten, ein Schrank, ein Ventilator. Die Decken sind
zerwühlt. In der Abstellkammer brennt Licht. Zwei Regale, eine Waschmaschine
und noch mehr Kisten. Ich schleiche zurück in den Flur. Ganz plötzlich fühle
ich mich unwohl. Ich fühle mich wie ein Eindringling, völlig fehl am Platz. Und
gerade, als ich überlege, ob ich leise verschwinden soll, geht die
Badezimmertür auf, und Paul steht nackt vor mir. Erst bemerkt er mich nicht,
dann dreht er sich um.
Er schreit
auf, was vom Krach der Musik verschluckt wird, und springt erschrocken einen
Schritt rückwärts. Ich schaue ihn an. Seine Haut glänzt. Einzelne Tropfen
schimmern auf seinem Körper. Sein Haar ist nass und wuschelig. Er geht ins
Wohnzimmer und macht die Musik leiser. Dann kommt er zurück in den Flur.
„Marie, was
machst du denn hier?“
Ich hatte
mir das alles ein wenig anders vorgestellt. Irgendwie besser. „Ich kann auch
wieder gehen.“
„Nein,
nein... so war das nicht gemeint.“
„Genau so
klang es aber.“
„Ich bin
erschrocken, das ist alles.“ Die ganze Wohnung duftet nach Parfum.
„Hast du
noch etwas vor?“ Er schweigt. „Das heißt dann wohl ja.“ Er nickt. „Kommt Helene
vorbei?“ Und wieder nickt er. „Das war es dann wohl.“ Ich drehe mich zur Tür.
„Nein, Marie
warte.“
„Spar dir
den Atem, Paul.“
„Marie, hör
mir doch bitte mal zu. Helene und ich schauen doch nur einen Film.“ Das ist
fast so schlimm, als würde er mit ihr schlafen. Wir haben immer Filme
geschaut. Nur wir. Das war unser Ritual.
„Und
deswegen ersticke ich hier fast in einer Parfumwolke? Weil ihr einen Film
schauen wollt?“ Betreten schaut er zu Boden. „Das alles ist falsch. Ich hätte
nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber ich hasse dich, Paul... und
ich wünschte, ich hätte nie mit dir geschlafen.“ Fassungslos starrt er mich an.
„Du bist ein Fremder... für mich bist du gestorben…“ Ich öffne die Tür. Ein
letztes Mal schaue ich ihn noch an, dann gehe ich aus seiner neuen Wohnung und
werfe die Tür hinter mir ins Schloss.
„Warte...“
Ich stehe auf der obersten Stufe und drehe mich zu ihm um. Er steht nackt im
Hausgang. „Bitte, hör mir zu.“ Ich sage kein Wort. „Marie, ich liebe dich...“
„Das ist
mir egal.“
„Du
lügst... ich weiß, dass das nicht stimmt...“ Ich gehe eine Stufe weiter. „Nein,
bitte...“ Er kommt aus dem Schatten des Türrahmens und stützt sich auf dem
Treppengeländer ab. Im grellen Licht des Flurs stehen wir und schweigen. „Komm
bitte noch mal rein.“ Ich schüttle den Kopf. Aber ich muss zugeben, dass ich
bewundere, dass er meinetwegen nackt im Flur steht. Ich höre, wie es bei Paul
klingelt. Dann höre ich entfernt Stimmen. Und wenig später, wie unten jemand
den Schlüssel ins Schloss steckt und die Türe aufsperrt.
„Da kommt
jemand“, sage ich kalt.
„Danke,
dass sie mich rein gelassen haben, mein Freund hört immer so laut Musik...“
„Das
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