Irgendwo dazwischen (komplett)
Schuster sein...“ Sie streckt
Marie ihre perfekt manikürte Hand entgegen.
„Ja, ich
bin Frau Schuster“, sagt Marie lächelnd und nimmt die Hand der Maklerin.
„Wollen wir
dann rein gehen?“ Sie zeigt auf den Eingang. Marie dreht sich zu dem
schrankartigen Mann.
„Es kann
gleich losgehen, Bernd, ich schaue noch die Wohnung an.“
„Ist gut...“,
sagt er mit einer verhältnismäßig hohen Stimme. Bei seiner Statur hatte ich mit
einem richtigen Bass gerechnet. Mit einer Stimme, die den Gehweg vibrieren
lässt. Er lächelt.
„Und hier
ist das Badezimmer...“ Die Maklerin deutet auf die letzte Tür. Sie öffnet sie
mechanisch lächelnd und lässt Marie eintreten. „Es ist frisch renoviert
worden.“
Marie
schaut sich um. „Das sieht man...“, sagt sie und nickt. „Und die Dachterrasse?“
„Um Himmels
willen... die Dachterrasse!“ Sie dreht sich um und verschwindet im Flur. Marie
und ich gehen ihr hinterher. Als ich die Wohnung besichtigt hatte, konnte sie
den Schlüssel für die Terrassentür nicht finden. Ich hoffe, das war ein
einmaliger Fauxpas. Wir steigen eine Treppe hinauf, die mitten im Wohnzimmer
ins Nichts zu führen scheint. Die Maklerin kramt in ihrer Tasche nach einem
Schlüssel. Ein leises Klirren, dann dreht sie den Schlüssel im Schloss um. Mit
ihrer perfekt manikürten Hand schiebt sie die Tür auf. „Die Dachterrasse...“
Marie und ich schieben uns an ihr vorbei. Und was wir dann sehen, ist so
wunderschön, dass man es nicht in Worte fassen kann. Ein winziges Paradies über
den Dächern der Stadt. Ein kleines Stück Frieden, umgeben von blauem Himmel. An
den Mauern wächst wilder Wein. Auf den vier Ecken der Mauer stehen Steine, die
aussehen wie große Tannenzapfen, die auf dem Kopf stehen. Der Boden ist massiv.
In langen Bahnen verlegte Bretter aus dunklem, schwerem Holz. Es sieht ein
wenig aus wie auf einem Schiff. „Hier kann man wunderschön grillen, oder
entspannen... einfach ein Buch lesen, oder Musik hören.“ Weder Marie noch ich
hören der Maklerin zu. Ich schaue zu Marie. Ihre Augen leuchten. Ich sehe ihr
an, wie sie die Terrasse in Gedanken gestaltet. Ihre Gedanken scheinen sich auf
der Terrasse auszubreiten. Sie greift in ihre Tasche und zieht ein Bündel Geld
heraus.
„Die
Kaution habe ich bereits gestern überwiesen... hier ist Ihre Provision.“ Die
Maklerin strahlt das Bündel an, dann nimmt sie es entgegen, zählt es ab und
reicht Marie einen Schlüsselbund.
„Das sind
drei Sätze Schlüssel für die Wohnungs- und Eingangstür, für den Briefkasten und
dieser hier ist für die Terrasse. Sie müssen nur noch den Empfang quittieren,
dann bin ich weg...“
Marie
Lili stemmt
sich gegen eine riesige Kiste. Es ist wunderschön, dass sie da ist. Wir sitzen
zwischen Umzugskartons. Eine Flasche Eistee und ein Aschenbecher stehen auf dem
Boden. Ich schaue dem Rauch meiner Zigarette nach. „Und er ist ehrlich dreimal
eingeschlafen?“, frage ich vorsichtig.
Sie seufzt.
„Ist das zu fassen?“
„Das liegt
sicher am Stress.“
„Nimm ihn
nicht in Schutz.“
„Das tue
ich nicht“, sage ich ruhig. „Ich will nur sagen, dass es bestimmt nicht an dir
liegt.“
„Ach komm“,
schnaubt sie.
„Nein, das
denke ich ehrlich nicht...“
„Unterm
Strich ist es doch egal.“ Lange schweigen wir. „Und Markus ist einfach
gegangen?“, fragt sie nach einer Weile in die Stille. Ich nicke. „Kann man ihm
nicht verdenken.“
„Ich hab
ihn ja nicht absichtlich Paul genannt“, verteidige ich mich.
„Trotzdem.“
„Ja hast
Recht...“, gebe ich zu. „Das war echt scheiße von mir...“
„Vermisst
du ihn?“
„Wen?
Markus?“ Sie nickt. Ich schüttle den Kopf. „Und Paul?“ Lili fragt das
vorsichtig, so als wüsste sie, dass sie mit dieser Frage auf eine Wunde drückt.
„Manchmal.
Vermisst du Elias?“
„Eigentlich
immer...“
„Du
solltest endlich dein Handy anmachen“, sage ich lächelnd. „Er macht sich sicher
Sorgen.“
„Was ist,
wenn er gar nicht angerufen hat?“ In ihrer Stimme höre ich Unsicherheit.
„Er hat
angerufen...“ Ungläubig schaut sie mich an. „Wenn er nicht angerufen hat, dann
lade ich dich auf ein Eis ein.“
Sie
lächelt, greift in ihre Tasche und zieht ihr Handy hervor. „Und wie viele
Kugeln?“ Sie versucht das Unbehagen und die Nervosität zu überspielen.
„So viele,
bis dir schlecht wird...“
Sie lacht
und gibt die PIN ein. Dann, ein paar Sekunden später, piept das Handy
hysterisch los. „Emma hat
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