Iron Witch
Tränen, und sie starrte Xan mit leerem Blick an. »Er ist gestorben, um mich zu retten.«
Donna konnte sich nicht mehr daran erinnern, gesehen zu haben, wie er zu Boden ging und was genau passiert war, aber woran sie sich noch sehr gut erinnern konnte, war, wie er dalag, das wusste sie noch ganz genau. Vor sich sah sie das Bild, das ihr so oft in ihren Träumen erschien: das Bild von Patrick Underwood, wie er im Wald von Ironwood lag, so bewegungslos und kalt wie das Spiegelbild des Mondes auf einem Fluss. Das Frustrierende war, dass sie sich nur noch an Bruchstücke aus dieser Zeit erinnerte und dass viele der Lücken von ihrer Tante und anderen Mitgliedern des Ordens gefüllt worden waren. Sie war sich nicht mehr sicher, an was sie sich wirklich erinnerte und was ihr von den Erwachsenen eingetrichtert worden war, die es gut mit ihr meinten.
»Dieser Alchemist, von dem du erzählt hast – Maker – der hat deine Hände gerichtet?«, fragte Xan leise.
Donna holte zittrig Luft. »Ja. Er ist ein unglaublicher Mann, voller Weisheit und Macht. Ich glaube fast, dass er schon viel länger existiert, als man glaubt.«
Xans Augen glänzten. »Meinst du, er könnte etwas für mich tun? Ich habe immer davon geträumt, irgendwie meine Flügel zurückzubekommen.«
»Ich … ich weiß es nicht.« Sie sah Xan an und spürte seine Aufregung auf sie überspringen. Plötzlich fielen ihr die mechanischen Vögel in der Werkstatt des alten Alchemisten ein. »Aber wir könnten ihn fragen.« Nur wie sie Maker diesen neuen Freund erklären sollte, war ihr schleierhaft. Erst Navin und jetzt Xan. Sie fragte sich, wie viel Ärger sie sich wohl mit den Alchemisten einhandeln würde, aber der Hoffnungsschein in Xans Gesicht war überwältigend – sie konnte die Möglichkeit nicht einfach ausschließen. Zumindest jetzt noch nicht.
»Xan«, sagte sie und redete weiter, bevor sie der Mut verlassen konnte, »kannst du mir erzählen … wie du deine Flügel verloren hast?«
»Verloren, das ist eine interessante Wortwahl.« Er lachte, und es klang so freudlos und unversöhnlich wie ein strenger Winterfrost. »Meine Flügel wurden mir aus dem Rücken gerissen, bevor sie überhaupt richtig ausgewachsen waren. Die Dunklen Elfen haben sie mir genommen.«
Die Welt um Donna herum schien stillzustehen. Ein Teil von ihr hatte befürchtet, dass er genau das sagen würde, und Entsetzen kroch ihr die Wirbelsäule hinauf. »Was ist passiert?«
»Nach meiner Geburt, nach dem Tod meiner leiblichen Mutter, wurde ich von Elfen aus dem Krankenhaus entführt und durch ein Wechselbalg ersetzt.«
Sie konnte es kaum glauben. »Warte mal. Du hast in Faerie gelebt?«
»Nein, ich habe im Elfenland gelebt. Ich kann mich nicht wirklich gut daran erinnern – die Zeit vergeht dort anders, in den sonnenlosen Ländern. Ich erinnere mich an Bilder, Geräusche … es kommt mir eher alles wie ein Traum vor.« Xan quälte sich unter der Last seiner Erinnerungen. »Oder ein Albtraum.«
Er wandte sich ab und starrte aus dem Fenster in die Ferne.
Donna legte ihre Hand auf die seine, grüner Satin auf goldbrauner Haut. Albträume waren etwas, das sie nur zu gut kannte.
Xan räusperte sich, zog aber seine Hand nicht zurück. »Was ich dir gestern Abend gezeigt habe – die Narben auf meinem Rücken – sind eine ständige Erinnerung an meine Zeit bei den Elfen. Eine Erinnerung an meine wahre Herkunft und wie sie mir gestohlen wurde. Und ich weiß bis heute nicht, warum.«
»Aber du konntest entkommen.«
Er nickte. »Und dann fiel ich den Behörden in die Hände. Vermisstenanzeigen wurden durchforstet und es gab einen nationalen Aufruf, um Verwandte dieses seltsamen Kindes, das aus dem Wald gekommen war, zu finden. Ich habe Zeitungsausschnitte, weißt du …« Seine Stimme verstummte.
Sie bemerkten die Kellnerin, die an ihrem Tisch stand. »Es tut mir leid, aber wir schließen jetzt.« Sie trug ein Tablett voller Geschirr und trippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Die Gefühle, die zwischen Donna und Xan knisterten, elektrisierten den ganzen Raum – es war ein Wunder, dass der Bedienung nicht die Haare zu Berge standen.
Sie standen auf, zogen sich ihre Mäntel an und machten sich auf den Weg.
Alle anderen Gäste hatten das Café bereits verlassen, was Donna gar nicht aufgefallen war. Gefangen in ihren Erinnerungen und Xans schrecklicher Geschichte, fühlte sie sich, als ob sie den Nachmittag unter einer Glaskuppel verbracht hätte. Die eiskalte Luft
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