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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit Jacobs war, wie sie behauptete. Ich schwieg weiter, und Carter trank einen weiteren und deutlich größeren Schluck Tee. Sie hielt meinem Blick so ruhig stand, dass ich nicht sicher war, wer dieses stumme Duell gewinnen würde, wenn sie es darauf anlegte, und auch ihre Hand, die die Tasse hielt, war so ruhig, dass der Tee darin genauso gut gemalt hätte sein können. Zugleich spürte ich aber auch, wie es unter dieser nach außen demonstrierten Ruhe aussah. Sie war nervös, und aus irgendeinem Grund hatte sie Angst. Vor mir? Ich beschloss, die Taktik zu wechseln. »Was wollen Sie, Miss Carter? Allison.«
    Ganz kurz zerbrach die Maske aus gespielter Gelassenheit, und ich sah Carter, wie sie wirklich war: eine sehr verstörte und durch und durch verängstigte junge Frau, die verzweifelt genug war, sich an einen Wildfremden zu wenden. Sie hatte sich jedoch sofort wieder in der Gewalt, aber auch ihre nachfolgende Reaktion überraschte mich: Sie schenkte mir zwar ein halb verlegenes Lächeln, sah sich zugleich aber auch auf eine ganz bestimmte Art um; auf die Art, die Menschen an den Tag legen, die Angst haben, beobachtet oder belauscht zu werden.
    »Was genau meinen Sie, Mister Devlin?«
    »Miss Carter, bitte.« Ich seufzte demonstrativ. »Allison. Sie haben mich angesprochen. Sie wissen eindeutig mehr über mich als ich über Sie. Aber bitte vergessen Sie nicht meinen Beruf. Ich weiß, wenn Menschen mich belügen …«
    »Ich lüge nicht!«, empörte sich Carter. Der gerechte Zorn in ihren Augen stand ihr gut, fand ich.
    »… oder mir etwas Wichtiges verschweigen.« Ich trank den Rest von meinem kalt gewordenen Kaffee, um Zeit zu gewinnen und meine Worte wirken zu lassen. »Sie haben mich angesprochen, Allison. Sie müssen mir gar nichts verraten, wenn Sie nicht wollen. Aber dann kann ich auch nichts für Sie tun.«
    Carter sah sich noch einmal auf dieselbe verstohlene Art um, die mir Anlass zu der Vermutung gab, dass nun eine wirklich komplizierte Geschichte folgen würde. Ich war nicht sicher, ob ich sie hören wollte. »Was hat Stanley Ihnen erzählt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie zuerst, Allison.«
    Ich bekam keine Antwort, doch ich konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann, und ein intensives Gefühl von Mitleid ergriff von mir Besitz. Ich musste mich beherrschen, um nicht etwas sehr Dummes zu sagen, das ich schon bedauern würde, noch bevor ich es ganz zu Ende ausgesprochen hatte.
    »Dann sind wir wohl in einer Zwickmühle, wie?«, fragte ich in einem (vergeblichen) Versuch, scherzhaft zu klingen. »Warum gehen wir nicht zusammen zu Jacobs und setzen unser Gespräch dort fort?«
    Wieder verging etwas Zeit, in der Carter mich beinahe ausdruckslos ansah. Ihre Finger spielten nervös mit der Tasse. Dann schüttelte sie so heftig den Kopf, dass sich ihre dunklen Locken in einen Wirbelwind zu verwandeln schienen. Es sah hübsch aus, fand ich. »Das geht nicht.«
    »Und warum?«
    »Er ist verschwunden«, antwortete sie. Eigentlich flüsterte sie es.
    »Jacobs? Wann?«
    »Vor drei Tagen.«
    Vor drei Tagen hatte ich das letzte Mal von Jacobs gehört, und auch das nur indirekt, indem er mich zu diesem ominösen Ort bestellt hatte. Gesehen hatte ich ihn das letzte Mal vor einer Woche.
    »Und jetzt glauben Sie, dass ich etwas mit seinem Verschwinden zu tun habe?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Carter beinahe erschrocken. »Niemand glaubt das. Auch nicht die Polizei, wenn es das ist, was Sie befürchten.«
    »Die Polizei?«
    »Wir haben sie natürlich benachrichtigt, nachdem sich Stanley nicht mehr gemeldet hat. Sie haben alle im Kontor verhört, auch mich.«
    »Mit mir hat niemand geredet.«
    »Es weiß auch niemand von Ihnen, und dem … besonderen Arrangement, dass Sie mit Stanley getroffen haben.«
    »Sie schon.«
    »Das ist wahr, aber ich war die Einzige, mit der Stanley über diese Vorfälle gesprochen hat«, erwiderte Carter. Sie senkte verschwörerisch die Stimme, was ein bisschen übertrieben war, wie ich fand, aber auch irgendwie … niedlich. Ein anderes Wort fiel mir dafür nicht ein. »Sehen Sie, Stanley hat Ihnen nicht alles erzählt, was diese Diebstähle angeht.«
    »Er hat über verschwundenes Material erheblichen Werts geklagt. Metall. Kupferkabel und Kautschuk, elektrische Materialien, Glas, Aluminium und Draht …«
    »Und noch viel mehr«, bestätigte Carter. »Die Liste mit den fehlenden Materialien ist immer noch nicht komplett, aber sie ist lang. Und sie wird mit jedem

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