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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Schützengraben, wenige hundert Meter entfernt.
    Gerber fragte auch nach Hansen.
    Schabe blickte sich suchend um. «Nanu, unser schwarzes Schaf war doch eben noch hier ... Hat wieder mal Hummeln im Hintern und sitzt dauernd bei Leuten von anderen Besatzungen... »
    Gerber sagte nichts dazu. Er hatte den Eindruck, daß der Maschinengefreite Hansen ihm absichtlich aus dem Wege ging.
     
    Das herrliche Leben im alten Schloß war viel zu schön, um lange dauern zu können. Bei dem Tauziehen zwischen Hauptmann, Major und Oberstleutnant behielt überraschenderweise der Major die Oberhand. Gerbers Einheit wurde nach zwei Tagen in die Festung Scharnhorst verlegt. Wehmütig packten die Männer ihre Sachen zusammen und machten die beiden Malerkarren wieder startklar.
    Die Festung war überbelegt. Gerbers Trupp erhielt einen der Bunker mit dreistöckigen Kojen zugewiesen. Die Männer wunderten sich, daß hier so reichlich Platz war. Am anderen Morgen wunderten sie sich nicht mehr. Ihre Körper waren mit Flohbissen übersät. Eine Stunde lang reinigten sie ihre Kleidung, zogen sich nackt aus und knackten Hunderte von Flöhen.
    In der Festung waren mehrere Stellungen für Granatwerfer vorbereitet, aber die Granatwerfer fehlten. Der Major klagte Gerber sein Leid: «Schon seit Wochen hat man uns die Waffen zugesagt. Jetzt, bei der verheerenden TransportIage glaube ich nicht mehr daran.»
    Immerhin eignete sich die Böschung der GranatwerfersteIlung recht gut zum Aufbau der beiden Landlafetten. Häufig kamen Flugzeuge auf geringe Entfernung heran. Abwechselnd knallten die stärksten Männer ein Magazin auf die Jabos. Am nächsten Morgen waren ihre Schultern blutunterlaufen. Beim Ausbauen der Geschütze hatte man die Rückholfedern an Bord gelassen. Nur starke Männer konnten den harten Rückstoß abfangen, den jeder Schuß verursachte.
    Getroffen wurde nichts. Die Lafetten waren zu schwerfällig und ließen sich nur schlecht nachführen. Im Grunde genommen war die Festung gegen Luftangriffe völlig wehrlos. Trotzdem hielten die Festungskrieger große Stücke auf ihre beiden Kanonen.
    Der Major kam nach dem Angriff in die Stellung und gab jedem Schützen kameradschaftlich die Hand. «Meine tapferen blauen Jungs werden es dem Tommy schon zeigen!» sagte er forsch. Auf der Landkarte zeigte er den Matrosen, wo die Landungsstellen lagen. «Leider war die Bildung der ersten
    Brückenköpfe ein Erfolg für den Feind. Aber die Entscheidung fällt erst noch! In den kommenden achtundvierzig Stunden muß es gelingen, die Briten und Amerikaner wieder ins Meer zu werfen. Unsere Truppen werden ihnen eine vernichtende Niederlage bereiten, unterstützt von Marine und Luftwaffe ... »
    Die Matrosen waren in Geographie nicht sehr bewandert. Sie kannten lediglich Cherbourg und Brest, außerdem einige kIeine Häfen zwischen diesen Städten. Freundlich tippte der Major auf die Karte, wenn er einen Ortsnamen nannte.
    «Unsere Führung zögert noch, die Panzerdivisionen zum Gegenstoß anzusetzen. Möglicherweise ist die Landung im Calvados nur eine Finte, um unsere Reserven vorzeitig herauszulocken. Die Hauptlandung wird weiter ostwärts erwartet, an der engsten Stelle des Kanals. Dort stehen, wie ich zuverlässig weiß, die AbschußsteIlen unserer neuen Vergeltungswaffe. Sie kann in wenigen Tagen ganz London in Schutt und Asche legen ... »
    Der Major wollte noch weitersprechen, aber ein Fliegerangriff stoppte seinen Redefluß. Eilig verschwand er in dem massiven Bunker seiner Festung, ehe die ersten Geschosse über die Stellung zwitscherten.
    Erst später hatte Gerber Zeit, über die Worte des Majors nachzudenken. Sollte eine Landung mit so massiver Truppenmacht wirklich nur eine Finte sein? Diese Ansicht fand er reichlich naiv.
    Als zwanzig Magazine verschossen waren, zeigte die aus Blech zusammengeschweißte Lafette schon ein paar verdächtige Risse. Beim nächsten Angriff kam Bootsmaat Wendt als Schütze an die Reihe. Da brach die Lafette mit schrillem Knirschen auseinander, quetschte ihm die Hand ein. Unter den zerdrückten Muskeln wurden Knochen und Sehnen sichtbar. Der Maat war ganz blaß im Gesicht; tapfer kämpfte er gegen die Ohnmacht an. Notdürftig verbunden, wurde er ins Lazarett geschafft.
    Auf die schäbigen Lafetten wurde nun in allen Tonlagen geschimpft. Dieser Schund hatte einen der fähigsten Männer ruiniert. Wendt hatte geschickte Hände, Leinen konnte er dreimal so schnell spleißen wie jeder andere auf dem Boot. Als Seemann war er

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