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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Heinkel 111 zu erkennen. So ein Wahnsinn, mit einer einzigen Kette hier anzurücken, dachte Gerber.
    Der deutsche Verband wurde hoffnungslos eingedeckt. Alle drei Maschinen gerieten in Brand, noch ehe sie zum gezielten Bombenwurf gekommen waren. Trotzdem ging die Schießerei weiter. Noch ein Verband? Erst später stellte sich heraus, daß aus Freude über die drei Abschüsse ein paar Salven zusätzlich verknallt wurden. Niemand regte sich darüber auf. Munition war ja reichlich vorhanden.
    Aufregung entstand erst, als die Geldprämien für die Abschüsse zur Verteilung gelangten. Die Geschützführer erhielten dicke Bündel mit Dollarnoten. Dennoch waren sie der Meinung, die Summe sei viel zu niedrig. Einen Abschuß nannte man «kill». Jeder Geschützführer glaubte fest, alle drei kills auf sein Konto buchen zu dürfen. An der Debatte um die Prämie beteiligten sich lautstark alle US-Soldaten. Sie spielte sich sogar in Gegenwart der Gefangenen im Laderaum ab, wobei ihnen höhnisch der Mißerfolg der deutschen Luftwaffe unter die Nase gerieben wurde.
    Während der Überfahrt gab es eine kleine Meuterei. Auf dem Schiff hatte man keine C-Rationen vorrätig; die Verpflegung sollte bis zur Landung an der englischen Südküste aufgeschoben werden. Aber die Gefangenen waren hungrig. Immer heftiger erhoben sie ihre Forderungen. Schließlich erschien ein junger Offizier, der sich in aller Gemütsruhe die Beschwerden anhörte. Ohne die Zähne auseinanderzunehmen, nuschelte er: «Okay» und ging wieder fort.
    Niemand erwartete, daß etwas geschah. Aber es geschah doch etwas: Acht Mann - natürlich die lautesten Schreihälse - mußten Kisten in den Laderaum schleppen. Die Kisten wurden aufgebrochen, und jeder der tausend Gefangenen erhielt eine Konservendose, die fast ein Kilo wog. Zur Überraschung der großzügig Beschenkten bestand ihr Inhalt aus Lachs in Öl. Brot oder irgendeine Zuspeise gab es nicht. Gierig wurde der leckere Fisch mit dem Eßlöffel verzehrt. Das Ergebnis war durchschlagend.
    Einige US-Matrosen machten sich einen Spaß daraus, Zwieback und Kekse in die Menschenmenge zu werfen. Um jedes Stückchen entstand eine wilde Balgerei. Für Gerber, der sich wegen seines lahmen Beines an den Kämpfen nicht beteiligen konnte, endete der Genuß des fetten Gerichts mit einer Explosion nach vorn.
     
    Im Bauch des riesigen Schiffes war es zu dunkel um Skat oder Dame zu spielen. Also vertrieb man sich die Zeit mit Erzählen. Thema eins war hier, weit von allen Mädchen, besonders aktuell. Unglaublich schweinische Geschichten wurden aufgetischt. Frankreich bot mehr Stoff als die anderen besetzten Länder in Europa zusammengenommen. Durch wüste Zoten verschafften sich die liebeshungrigen Männer einen Ersatz für die Bordelle, die ihnen fehlten.
    Standardwitz: «Sobald wir in England ankommen, warten siebzig spanische Frauen auf uns. Gleich an der Pier.» Das klang zwar unglaubhaft, lenkte aber die Phantasie in die gewünschte Richtung.
    Andere kauten den Krieg durch. «U -Boote hätten wir bauen sollen, nur U-Boote. Dann wäre England schon im Frühjahr einundvierzig am Ende gewesen.» - «Ganz falsch! Flugzeuge mußten wir bauen, überhaupt keine Schiffe. Viermotorige Bomber, oder noch besser: sechsmotorige. Ganz England in Klumpen werfen, das hätte den Krieg entschieden!» - «Wir hatten einfach zuwenig Panzer. Im Osten fehlten Kettenfahrzeuge, auch für den Nachschub. Panzer bauen wäre das einzig richtige gewesen! Noch zwanzig Panzerdivisionen mehr, und der Iwan hätte im Oktober einundvierzig kapituliert.»
    «Es war ein Fehler, die Panzer vor Dünkirchen anzuhalten. Weiter vorstoßen, den Sack zumachen, dann war der Tommy im Eimer!» - «Rommel fehlten drei Divisionen, und er war am Suezkanal. Die Engländer mußten das Mittelmeer aufgeben. Von diesem Schlag hätten sie sich nie erholt ... »
    Fernab vom Kriegsgeschehen erwiesen sich alle als große Strategen. «Blödsinn, bis nach Stalingrad vorzustoßen. Im Norden mußten wir die Entscheidung erzwingen. Moskau ist die Hauptstadt. Dort alles reinbuttern! Leningrad hätten wir sowieso gekriegt. Das war der Hauptfehler!» - «Nee, am wichtigsten war für uns die Ukraine, die Kornkammer Europas. Und Industrie gibt's dort auch. Die Ukraine besetzen, das war entscheidend... »
    «Rommel war der einzige, der was konnte. Den ganz oben hin...» - «Nee, Brauchitsch. Als der abgesägt wurde, ging's rückwärts.» - «Ein Jammer, daß Göring beim Heer nichts zu sagen

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