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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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begleiteten ihn die Segenswünsche der Mannschaft.
    «Zehn ... elf ... zwölf ... dreizehn», zählte Berger. Ehe er vierzehn sagen konnte, stieg am Achterschif f der «Bactria» eine gewaltige Fontäne hoch. Der Dampfer war getroffen.
    Stumm drückten die Männer auf der Brücke ihrem Kommandanten die Hand, natürlich streng in der Reihenfolge der Dienstgrade. Koppelmann machte seiner angestauten Erregung in einem «Hurra!» Luft. Er war mächtig stolz auf diesen Erfolg und auf seinen Alten.
     
    Das Boot lief nach Süden ab, um den Suchaktionen und Gegenmaßnahmen zu entkommen. Mehrfach wurde der Kurs geändert, und schließlich wußte nur der Kommandant, wo das Boot eigentlich stand.
    Koppelmann hatte jede Orientierung verloren. Zu seinem großen Erstaunen befand sich das U-Boot nach einer halben Stunde genau wieder dort, wo es den Angrif begonnen hatte.
    Immer noch stand ein heller Streifen über der Kimm im Norden. Koppelmann sah, daß der alte Dampfer mit seinem Heck tief im Wasser lag. Zwei Rettungsboote waren heruntergelassen, die Besatzung stieg aus. Im Fernglas waren einzelne kleine Lämpchen in den Booten und im Wasser zu erkennen. Thieme, der schon wieder eine seiner berühmten Schulungen abhielt, erläuterte die Konstruktion der britischen Schwimmwesten: eine batteriegetriebene kleine Signallampe diente in der Nacht zur Kennzeichnung des Standortes. Die Besatzung fand diese Einrichtung sehr zweckmäßig.
    Beide Rettungsboote waren bemüht, Männer aufzufischen. Koppelmann begrif f nicht, warum der Kommandant hier wartete, statt am Geleit hängenzubleiben. Wollte er um jeden Preis den Untergang des Dampfers miterleben?
    Bald schon wurde voraus ein Fahrzeug sichtbar. Thieme zählte den Ausguckposten, der für diesen Sektor zuständig war, kräftig aus. Der Posten hatte das Fahrzeug zu spät bemerkt, weil er ab und zu auf den untergehenden Dampfer schaute, der natürlich viel interessanter war als ein leerer Sektor der nächtlichen See.
    Der Kaleu ließ das Boot ohne Übereilung statisch tauchen. Mit langsamer Fahrt ging er auf Sehrohrtiefe. Er wollte den Ankömmling erst einer genauen Musterung unterziehen. In diesem Fall war kein Gröner und kein Weyer notwendig. Selbst der jüngste U-Boot-Fahrer hätte das Fahrzeug auf Anhieb als Korvette identifiziert. Thieme hatte das schon vermutet, als noch keine Einzelheiten des neuen Schiffes zu erkennen waren. Er ging einfach davon aus, was der Geleitzugführer nach der FT-Meldung vom Untergang des Dampfers wahrscheinlich tun würde. Nach seiner Erfahrung gab es drei Möglichkeiten.
    Erstens: Der Geleitzugführer konnte die Männer der «Bactria» ihrem Schicksal überlassen. Aber das widersprach den ständigen Befehlen, sie auch unter eigenem Risiko zu retten. Zweitens konnte er sofort· ein Geleitfahrzeug zur Untergangsstelle beordern, um die Besatzung aufzufischen. Da noch kein Rudel am Geleit hing, war das ohne allzugroßes Risiko möglich. Drittens konnte er den Morgen abwarten und selbst mit seinem schnelleren Schiff zur Versenkungsstelle eilen.
    Als in der Nacht ein Fahrzeug erschien, wußte Thieme, daß sich der Geleitzugführer für die zweite Möglichkeit entschieden hatte.
    Koppelmann bewunderte die Fähigkeit des Kommandanten, sich in die Situation seines Gegners versetzen zu können. Das war eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg. Thieme galt schon auf der U-Boot-Schule als brillanter Taktiker, und manche seiner Vorgesetzten rechneten damit, ihn als Lehrer für dieses Fachgebiet einzusetzen. Vielleicht noch zwei Fahrten, dann würde man sehen.
    Auch die weiteren Überlegungen des Kommandanten schienen klar und einleuchtend. Jetzt war entscheidend, zu welchem Typ die Korvette gehörte. Koppelmann schrieb fleißig mit, was der Kaleu sagte. Er kam sich vor wie der Gerichtsschreiber, den er in einem Film gesehen hatte: Jedes Wort konnte wichtig sein. Und hier ging es um Tod und Leben!
    Die älteren Korvetten, die England kurz nach Kriegsausbruch eilig gebaut hatte, waren in der Nacht verhältnismäßig ungefährlich. Man hatte noch keine Zeit gefunden, sie in den Werften an Clyde und Mersey auf Radar umzurüsten. Vor den später gebauten Fahrzeugen dieser Klasse mußten sich die Unterseeboote in acht nehmen; ihr Radarauge war imstande, den kleinen U-Boot-Turm auf große Entfernung auszumachen. Den älteren Korvetten hatte man aus unerfindlichen Gründen einen riesigen Mast hart vor die Brücke gesetzt. Beim Umbau dieser Fahrzeuge wurde nicht

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