Irrflug
Doppelhaushälfte, deren Vorgarten überwiegend aus Grünpflanzen und rankendem Efeu bestand. Der Verputz hätte längst eine Erneuerung nötig gehabt, von den Fensterrahmen blätterte die weiße Farbe. Elvira Schneider schien den Gebäudeteil allein zu bewohnen, zumindest ließ dies die Beschriftung des Klingelknopfs vermuten. Sie kam an die Tür, um zu öffnen.
„Jetzt bin ich aber baff”, staunte sie. Elvira Schneider, die kurze ausgefranste Jeans und ein knallenges ärmelloses Oberteil trug, das ihre weiblichen Formen bestens zur Geltung brachte, starrte die beiden Männer überrascht an. „Gestern spionieren Sie mir nach, gebärden sich wie ein Wilder, werfen mir Geldwäsche vor – und jetzt tauchen Sie hier plötzlich auf.” Ihre Stimme klang schrill und kühl.
„Dürfen wir für einen Moment reinkommen?”, fragte Häberle ruhig und höflich. Die Frau schien irritiert zu sein, „wenn’s denn unbedingt sein muss, vermeiden werd’ ich’s kaum können”, sagte sie, drehte sich um und ging mit ihren Turnschuhen ein paar Schritte durchs Treppenhaus, um sich dann ihrer Wohnungstür zuzuwenden. Die beiden Männer folgten ihr in einen dunklen, schlauchartigen Flur, an dessen Wänden zahlreiche gerahmte Fotografien hingen. Häberle sah im Vorbeigehen, dass es meist Luftaufnahmen waren, darunter wohl auch von schneebedeckten Bergen und Seen, die sich in Gebirgslandschaften schmiegten.
Am Ende des Flurs erreichten sie ein Wohnzimmer, dessen Möbel aus der Mitnahme-Abteilung zu stammen schienen. Elvira Schneider bot den Männern Plätze auf einer wulstigen Couch an, deren rötlicher Stoff ziemlich abgegriffen wirkte. Die Frau setzte sich gegenüber des hölzernen Tischchens in einen Sessel und schlug ihre nackten Beine übereinander.
„Ich bin gespannt, was Sie so Wichtiges mit mir zu bereden haben. Ich jedenfalls hab’ nichts zu sagen, falls Sie das erwartet haben”, begann sie selbstbewusst.
„Hab’ ich nicht”, entgegnete Häberle, der sich nach vorne beugte und die Unterarme auf seine Oberschenkel stützte, „aber ich hab’ Sie was zu fragen: Sie kennen Günter Mosbrucker?”
„Ja, klar”, sie hob eine Augenbraue leicht an, „ist was mit ihm?”
„Er ist tot”, antwortete Häberle, „ermordet, vergangene Nacht, droben im Ödewald.”
Die Frau wurde blass. Sie schluckte. „Und warum kommen Sie, um mir das zu sagen?”
„Weil die Beziehungen zwischen ihm und Ihnen nicht nur, sagen wir mal, kameradschaftlicher Art waren”, entgegnete Häberle.
Sie begann, an den Fransen ihrer äußerst kurzen Hose zu spielen. „Ich versteh’ nicht ganz, was Sie damit sagen wollen.”
„Na ja”, mischte sich Linkohr unvermittelt ein, „Sie waren nicht nur Fliegerfreunde, sondern auch anderweitig, sagen wir mal, verbunden, geschäftlich.”
„Der Herr Kommissar”, begann die Frau bissig, „der weiß doch alles besser. Ich bin Geldwäscherin und Steuerhinterzieherin. Nur leider redet er das aus dem hohlen Bauch raus. Oder haben Sie jetzt … Beweise?”
Das Schweigen der beiden Männer schien sie zu irritieren.
Schließlich nickte Häberle. „Wie man’s nimmt. Wir haben etwas erfahren, das uns stutzig macht.”
Elvira Schneider zog eine Backe hoch und zerrte mit den Händen nervös am Saum ihrer Hose, als ob sie sie länger ziehen wollte. Wie sie da saß, dachte sich Häberle, da wirkte sie wie ein trotziges Mädchen, das nicht sicher war, was im nächsten Moment geschehen würde.
„Der Mosbrucker war aufmüpfig, hat gedroht, hat sein Geld zurückgefordert”, begann Häberle nun einen Frontalangriff, „doch irgendwie konnten Sie oder vielleicht auch Ihre hübsche Freundin aus Rothenburg das angelegte – oder sagen wir besser, das angeblich angelegte Geld nicht so schnell beschaffen, wie er’s gebraucht hätte. Was weiß ich, wohin Sie’s transferiert haben …” Hatte die Frau bis hierher noch zornig zugehört, so brach es nun aus ihr heraus, laut und schrill: „Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Das brauch’ ich mir nicht gefallen zu lassen. Ich werd’ sofort einen Anwalt anrufen.” Sie sprang auf, blieb dann aber stehen. „Wagen Sie es ja nicht, mir einen Mord anzudichten. Sie sind ja total bescheuert. Glauben Sie im Ernst, ich knall’ den ab, bloß weil der sein Geld zurückhaben will?” Sie brach ab. Offenbar war ihr bewusst geworden, dass sie mit dieser Formulierung indirekt die Geldgeschäfte eingeräumt hatte.
„Sie sollten sich nicht aufregen”, riet
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