Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
seines Großvaters Akbar an die Spitze von Ruhm und Macht. Sein Reich umfasste ein Gebiet halb so groß wie der europäische Kontinent, von Afghanistan bis Assam, von Kaschmir bis zum Fluss Godavari. Auswärtige Besucher seiner Regierungszeit zeigten sich nicht nur von der Pracht des Hofes, sondern auch von der Wirtschaftskraft des Landes, den sicheren Straßen, der guten Verwaltung und Rechtsprechung beeindruckt. Die letzten Jahre des großen Fürsten verliefen jedoch weniger glanzvoll, sein Sohn Aurangzeb ließ ihn 1658 gefangen nehmen und schwang sich zum alleinigen Herrscher empor. Die Festung, in der Shah Jahan fortan sein Leben fristete, lag in Sichtweite des Taj Mahal, und so konnte er wenigstens das Mausoleum seiner Frau sehen, weshalb er angeblich den größeren Teil seiner Zeit auf dem Festungsturm zubrachte. Bis zu seiner Absetzung aber tat sich Shah Jahan als Bauherr hervor; sein bevorzugter und von ihm besonders geschätzter Baustoff war weißer Marmor. Für Paläste, Gartenanlagen, Moscheen und schließlich eine ganz neue Hauptstadt gab er den Auftrag: Shahjahanabad außerhalb von Delhi, das die alte Hauptstadt Agra ablöste. Unter den von ihm errichteten diversen Mausoleen nimmt der Taj Mahal den ersten Platz ein.
1612 hatte Shah Jahan zum dritten Mal geheiratet, und Mumtaz Mahal wurde zu seiner Haupt- und Lieblingsfrau. Pflichtgemäß rühmten die Chronisten sie als ideale Frau, schön und liebenswert, fromm und treu, und die Beziehung der beiden als besonders innig, tief und für beide erfüllend. Vierzehn Kinder gebar sie ihrem Gemahl, und die Geburt des letzten kostete sie schließlich das Leben. Mit 38 Jahren starb sie 1631, nach 19 Jahren Ehe und nur gut drei Jahre nach dem Regierungsantritt ihres Mannes. Der Verlust brachte den Großmogul schier um den Verstand, sein Bart wurde über Nacht grau, sein Kummer kannte keine Grenzen. Der gesamte Hof musste trauern, während der Witwer keinen Trost fand. Er erwog gar die Abdankung zugunsten seiner Söhne.
Seine verstorbene Gefährtin ließ er provisorisch in den Gärten von Zainabad beisetzen, wo sie gestorben war, und begann umgehend mit der Planung für ein standesgemäßes Grabmal. Die angesehensten Fachleute des Landes wurden herangezogen, unter deren Leitung angeblich 20000 zwangsverpflichtete Arbeiter den Bau errichteten. Am zwölften Todestag der Mumtaz Mahal wurde das vielleicht berühmteste Mauseoleum der Welt eingeweiht. Es heißt, Shah Jahan habe jedes Mal bitterlich geweint, wenn er das Grab seiner großen Liebe besuchte. Der Taj Mahal aber gilt seither als Bauwerk, dessen perfekte und verschwenderische Ausführung der Anmut und stillen Größe der Frau entspricht, für die es als steinernes und den Tod überdauerndes Liebesbezeugnis errichtet wurde.
Aber Shah Jahan wäre nicht der Mann gewesen, der er war, hätte er mit dem Grabmal für seine Frau nicht auch sich selbst und seiner Herrschaft ein Denkmal gesetzt, das noch heute beeindruckt. Die staunenden Besucher lagen durchaus im Kalkül des Bauherrn, den zutiefst befriedigt hätte zu wissen, dass sie auch im 21. Jahrhundert noch in Scharen anreisen. Moderne Forscher gehen gar davon aus, Shah Jahan habe von Anfang an mehr an seinen eigenen Nachruhm als den seiner Frau gedacht. Die Zeugnisse über eine ganz besondere Liebe dürften nämlich maßlos übertrieben sein, denn sie stammen vor allem aus wenig verlässlichen Quellen zeitgenössischer Chronisten. Ausländische Diplomaten hingegen, die den Großmogul persönlich kannten, zeichneten in ihren Berichten ein ganz anderes Bild: das eines unsympathischen und machtgierigen, selbstsüchtigen, eitlen und prunkverliebten Tyrannen. Auch mit seiner Zuneigung war es danach nicht so weit her. Während einerseits kolportiert wurde, der Witwer habe sich seit dem Tod seiner geliebten Frau keiner anderen sexuell genähert, berichten europäische Beobachter von sexuellen Eskapaden ohne Ende. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo zwischen diesen Extremen. Und das berühmteste Mausoleum der Welt ist nicht nur ein Begräbnisort, sondern auch ein Monument der Herrschaft Shah Jahans.
Mumtaz Mahals Mausoleum steht auf einem ausgedehnten rechteckigen Grundstück, umgeben von einer Mauer mit säulengesäumten Pavillons in jeder Ecke. Herzstück der Anlage ist der Garten, der auf die Paradiesgärten verweist. Auf dem Weg hindurch rückt das eindrucksvolle Hauptgebäude näher, 58 Meter hoch und auf einer quadratischen Marmorplattform von 100 Meter
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