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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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schaukelten leicht. „Wenn das alte Weib gereizt war, pflegte sie mit dem linken Daumen über die Rückseite der rechten Hand zu reiben. Ist es das, was du wissen möchtest?”
    Schläfrig nickte sie, ihr Haar wehte über seine Brust. Während er sprach, leise, langsam, nachdenklich, und das Bild einer herrischen, komplizierten, verschlagenen alten Frau entwarf, nahm sie abwesend auf, was er sagte, ließ aber auf einer anderen Bewußtseinsebene ihren Verstand treiben, starrte dabei in den Spiegel, um ihn anzusehen.
    Sie blockierte den Geistfühler und ließ ihre Blicke so leidenschaftslos wie sie nur konnte über ihn gleiten. Sein Körper war menschlich, mehr oder weniger, jedenfalls menschlich genug, daß es ihren Sinnen keinen Schock versetzte. Aber sein Gesicht … Riesige, schwarze Augen, groß wie Teetassen, in Hunderte winziger, achteckiger Facetten unterteilt, die sich aus einem schmalen, ziemlich hübschen Gesicht vorwölbten. Eine schmale Nase, ein feinfühliger und beweglicher Mund, ein spitzes Kinn. Darüber erhoben sich die eindrucksvollen Fühler, deren Bewegung jede seiner Stimmungen reflektierten. Er war fremdartig … Sie ließ die Emphatie zurückfluten, und die Fremdartigkeit war verschwunden, entschwunden in die dämpfige Luft, und das Bild war einfach Burash, die gesamte Wirkung von Linie, Form, Gestalt war ihr lieb und teuer, weil es Burash war, vereinigte sich zu einer Zärtlichkeit, die sie zögerte, Liebe zu nennen, weil sie vor dieser Verantwortung floh. Doch als seine Stimme ruhig an ihrem Ohr erklang, gestand sie sich tief in ihrem Inneren ein, daß ihr Gefühl für ihn Gestalt und Spezies überbrückte.
    Ihr Körper schmiegte sich an den seinen, eine blasse, bernsteingelbe Gestalt, schlank, vollbusig, die langen Beine über die strahlenden Farben des üppigen Vorlegers ausgestreckt, das rote Haar in undiszipliniertem Gewirr über den Schultern, die blaugrünen Augen in Form und Größe beunruhigend fremd, da sie halb in Burashs Geist verstrickt lag. Wie seltsam, dachte sie, wie fremdartig muß ich an jenem Tag für ihn ausgesehen haben, Madar! Erst vorgestern. Aber er hat nicht gezögert. Er fühlte meine Angst und meine Einsamkeit, und er reagierte augenblicklich, warm, ohne Einschränkung. Er überwand diese Artenverschiedenheit, die mich erschüttert hat, noch immer erschüttert, wenn ich daran denke, überwand sie mühelos, entdeckte irgendwie diese Ähnlichkeit, die wir gemeinsam haben, zum Teil sexuellen Hunger, der jedoch weitergeht als nur der bloße Hunger eines Körpers auf den anderen, um direkt mit … wie soll ich es nennen, es klingt überheblich, Seele zu sagen … um direkt mit jedem Punkt zu reden, an dem mein Wesen harrt.
    Burash legte seine Hand unter ihr Kinn und hielt ihren Kopf schräg, damit sie ihn ansah. „Wo bist du, Leyta? Hast du ein Wort von dem gehört, was ich sagte?”
    Aleytys blinzelte langsam. „Ich habe dich gehört. Was treibt die Kipu an?”
    „Treibt?” Er verlagerte leicht sein Gewicht. „Ehrgeiz. Sie braucht den Rückhalt der Alten, und sie hält gern die Peitsche über die Nayids, die sie verachten. Die anderen Städte dort draußen …”
    Er schwang seine Hände in einem Halbkreis, was ihr die verstreuten Hügel ins Gedächtnis rief, die sich aus der fruchtbaren Ebene emporstießen, jeder mit einer von Mauern umgürteten Stadt an seinem Fuße. „Jede Rab Maku im Rat der Stadtköniginnen hat einen ebenso starken Ehrgeiz wie sie. Aber sie alle haben Angst vor der Alten und sind zu eifersüchtig aufeinander, um ihre Kräfte zusammenzutun. Solange die Kipu die Königin stützt, regiert die Kipu die Kibrata.”
    „Dann bin ich das sichtbare Symbol ihrer Macht.” Sie setzte sich auf und rieb die Hände aneinander. „Gut. Das müßte mir den Vorteil geben, den ich brauche.”
    „Mehr als das. Sie fürchtet sich einfach genauso vor der Alten wie alle anderen!”
    „Huh? Du meinst, sie glaubt all diesen Unsinn?”
    „Unsinn?” Er preßte die Lippen zusammen und starrte düster auf seine Knie hinunter. „Tausend Jahre beweisen das Gegenteil.
    Tausend schwere, schwere Jahre.”
    „So.” Sie spreizte die Finger der rechten Hand und betrachtete sie. „Eins. So viele wie möglich mit den Gesten und anderen Dingen, in denen du mich unterweist, zu Tode erschrecken.” Sie legte den Zeigefinger um. „Zwei. Die Kipu bearbeiten, bis sie soweit ist, daß sie sich fragt, wo ihr der Kopf steht.” Sie legte den zweiten Finger um. „Drei. Eine

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