Isabellas Unterwerfung
kleinlaut.
„Und du kennst diese Leute auch?“ Ihre Stimme gewann an Schärfe.
„Ja. Aus dem Club.“
„Wir haben fast zwei Monate an der Ausstellung gearbeitet und du hast es nicht für nötig befunden, mir zu sagen, dass du diese Leute kennst, dass diese Szenen echt sind und nicht gestellt?“
„Erinnerst du dich an deine Reaktion, als du die Entwürfe von Paul zum ersten Mal gesehen hast?“ Nun wurde auch Jesse wütend. „Du sagtest, ich zitiere: Was für ein perverser Scheiß, aber wenn die Leute dafür Geld ausgeben, dann soll es mir recht sein.“ Jesse holte tief Luft. „Hätte ich dir da sagen sollen, dass du deinen Horizont ruhig ein bisschen erweitern könntest und dass S/M die höchste Lust bedeuten kann, wenn man den richtigen Partner hat? Und dann hast du auf die Bilder in einer Weise reagiert, die mir die Sprache verschlagen hat.“
Isabella stand der Mund offen. Jesse? Ihr Jesse praktizierte S/M. Sie brachte kein Wort heraus. Sicher, sie fand es nicht mehr so abstoßend, wie vor ein paar Wochen, aber Jesse … Und dass er mitbekommen hatte, dass sie die Bilder anziehend fand, trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht. Sie fühlte sich wie eine Heuchlerin und war dennoch nicht in der Lage, etwas zu sagen.
„Ich sehe dir an, dass du deine Meinung nicht geändert hast. Lass uns das Thema einfach vergessen und die Logistik ausarbeiten.“
Völlig verwirrt ging Isabella zu ihrem Schreibtisch. Die nächsten Stunden schwiegen sie sich an und arbeiteten. Aber Isabella konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder huschten Bilder durch ihren Verstand, auf denen sie Jesse sah, gefesselt und mit Striemen übersät, so wie auf den Bildern. Verstohlen sah sie zu ihm rüber und bemerkte, dass auch er sie beobachtete. Ein Lächeln wollte ihr noch nicht so recht gelingen. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn, und immer, wenn sie an den Fremden dachte, begann ihr Herz wild zu schlagen. Sie wollte mehr über ihn erfahren, auch wenn das bedeutete, dass sie über ihren Schatten springen musste. Jesse war doch ihr Freund. Wenn sie nicht mit ihm reden konnte, mit wem denn dann?
„Bist du glücklich damit?“ Ihre Stimme klang schon wieder dünn und unsicher. Sie hasste das.
„Ja, das bin ich.“
„Und Damian?“
„Er ist mein Dom.“
Isabella verschluckte sich an ihrem Kaffee und hustete. Das war etwas zu viel, doch sie wollte sich von ihren Vorurteilen nicht beeinflussen lassen. Schließlich war er immer noch Jesse. Und ging es hier nicht auch um sie? Sie war diejenige, die ihre Hormone nicht im Griff hatte, die nachts von Fesselspielen und fremden Männern träumte. Vielleicht, wenn sie ein bisschen mehr über die Szene erfuhr, vielleicht hörte dieses Verlangen in ihr dann auf? Immer wieder schaute sie durch die geöffnete Bürotür auf die Fotos in der Galerie.
„Zeigst du ihn mir?“, flüsterte sie.
„Damian ist nicht auf den Bilder.“
„Ich meine seinen Bruder. Wie heißt er eigentlich?“
Jesse stand auf, ohne ihr zu antworten, und ging in den Galeriebereich. Mit etwas zittrigen Beinen folgte Isabella ihm und noch bevor Jesse stehenblieb, wusste sie, welches Bild er ihr zeigen würde.
„Das ist Lucian, Damians Bruder.“
Sie standen vor dem Bild mit dem Andreaskreuz, das Isabella schon so oft betrachtet hatte. Den Mann sah man nur von hinten und auch nur einen Teil seines Rückens und doch hatte sie die Anziehungskraft dieser Szene in der vergangenen Nacht am eigenen Leib erlebt. Hatte sie instinktiv gewusst, dass er der Fremde auf dem Foto war? Nein! Woher hätte sie das wissen sollen? Unschlüssig stand sie neben Jesse, sah verstohlen zu ihm rüber und hatte unzählige Fragen, über diesen Mann, über S/M und über die Bilder.
„Ist er brutal?“
„S/M ist nicht brutal. Es geht um Lust, um Begierde, um Phantasien, Dominanz und Unterwerfung.“
„Und du … du unterwirfst dich Damian?“ Es fiel Isabella sehr schwer, diese Frage zu stellen. Es lag eher an Damian als an Jesse. Sie mochte Damian nicht. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, da kam er ihr irgendwie falsch vor. Der Gedanke, dass er Jesse dominierte, sogar fesselte und schlug, machte sie unruhig. Wie war es möglich, dass Jesse ihm so sehr vertraute? Sie könnte sich niemals einem anderen Menschen so ausliefern.
„Es ist ein Spiel, Isabella. Ich gebe mich gerne hin, lasse mich von Damian führen. Ich lege die Verantwortung für meine Empfindungen und meine Lust in seine Hände. Er gibt mir die Erfüllung, die ich
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