Isabelle
Gebrüll! Vielleicht würden sie später sagen: Ich wünschte, meine Mutter hätte auf diese Mevrouw Colijn gehört, dann hätten wir beide eine schönere Kindheit gehabt.«
»Aber sie hätten sie nicht gemeinsam verbracht.« Isabelle dachte nach. »Die Ärztin meint, die Wahrscheinlichkeit, dass es eineiige Zwillinge sind, sei sehr gering. Aber trotzdem sind es Zwillinge.«
»Sie könnten sich doch sehen.«
»Ich glaube nicht, dass Judith Colijn das begrüßen würde.«
»Dann können sie sich immer noch von sich aus sehen, wenn sie etwas älter sind. Worum es aber geht, ist, dass sie beide sorglos aufwachsen. Du musst praktisch denken.«
Isabelle seufzte. »Ich tue nichts anderes.«
»Mit einer Viertelmillion könnten wir zwei unser hübsches Restaurant in der Veluwe aufmachen.«
»Würdest du das wirklich wollen?« Isabelle schmiedete wahnsinnig gerne derartige Pläne.
»Aber sofort.« Letty nickte. »Ich würde dir Tag und Nacht helfen, wenn ich nur ein vernünftiges Einkommen hätte, aber gerade das ist ja das Problem.«
Isabelle schaute ihre Freundin an. »Du meinst, jetzt hat eine von uns endlich das große Los gezogen?«
Letty erwiderte ihren Blick. »Ich weiß, dass dieses Glück seinen Preis hat. Aber ich glaube, dass du auch ein kleines bisschen an dich selbst denken darfst.«
Lettys Scheinwerfer glitten über die unter der Kastanie geparkten Autos und über Fons, der am Zwischentor stand und sich angeregt mit Max Winter unterhielt. Letty hielt neben dem BMW.
»Kein Wort«, sagte Isabelle.
»Ich schweige wie ein Grab. Soll ich fahren?«
»Warum solltest du?«
Letty schaltete die Scheinwerfer ihres Autos ab und stieg aus.
Fons öffnete die Beifahrertür und beugte sich zu Isabelle hinunter. »Der Detektiv ist schon Ordnung«, flüsterte er beruhigend, bevor er ihr aus dem Auto half.
»Wieso?«
»Er arbeitet zwar für dieses Weib, aber du liegst ihm viel mehr am Herzen, das kannst du mir glauben.«
Fons winkte Winter steif zu und schlurfte auf seinen Klompen davon. Max gab Isabelle die Hand.
»Wenn du lieber allein mit Isabelle reden willst …«, begann Letty.
»Im Gegenteil«, sagte Max. »Vielleicht kannst du mir helfen, du warst an dem Tag schließlich auch da.«
Isabelle ging ihnen voraus über den Plattenweg, nahm ihren Haustürschlüssel von der Fensterbank und schloss die Seitentür auf.
»Liegt der Schlüssel immer da, wenn du nicht zu Hause bist?«, fragte Max.
»Warum nicht? Hier gibt es keine Einbrecher.«
Max schwieg und folgte ihr ins Haus. Isabelle schaltete das Licht ein und zog die Übergardine vor die Terrassen tür. Letty drehte den Gasofen höher.
Max behielt seinen Mantel an und lehnte den angebotenen Kaffee ab. »Ich bin gleich wieder weg. Ich möchte, nur, dass du dir ein Foto anschaust.« Er zog einen Um schlag heraus und legte drei auf 18 x 24 Zentimeter vergrößerte Bilder auf den Esstisch.
Letty schaltete die Hängelampe über dem Tisch ein, sah Isabelle über die Schulter und schüttelte den Kopf. »Wer ist denn das?«
Max sagte nichts. Isabelle ließ sich auf einen Stuhl sinken und schaute sich die Fotos an, auf denen ein Schwarzer in einer nassen Antwerpener Straße sowie vor der Bar von Tilly zu sehen war. Sie nickte, sie war sich so gut wie sicher. »Ich glaube, den habe ich gesehen.«
»An dem bewussten Tag?«
Isabelle nickte noch einmal. Sie rief sich den Moment wieder ins Gedächtnis. Alles war so unnatürlich scharf umrissen hervorgetreten, die Farben leuchtend, Nachmittagslicht auf glänzenden Autodächern, und dann dieser kurze Moment der Erwartung und der Enttäuschung, weil Ben nicht da war. Sie erinnerte sich an jede Einzelheit dieses Tages, jede Szene hatte sich tief in ihr Gedächtnis eingeprägt.
»Es saß in einem Auto«, sagte sie. »Er las Zeitung, die Herald Tribune.«
»Auf dem Parkplatz?«
»Ja.«
»Hast du ihn anderswo noch einmal gesehen?«
»Nein.« Sie blickte starr auf die grobkörnige Vergrößerung des schwarzen Gesichts. »Ist das der Mann, der …«
»Das wissen wir noch nicht.« Max raffte die Fotos zusammen und steckte sie wieder in den Umschlag. »Vielen Dank.« Er wies mit einem Nicken auf ihren Bauch. »Und, geht’s euch gut?«
»Ja.« Isabelle lächelte, aber es kam nicht so recht von Herzen.
Er gab ihr die Hand. »Weißt du schon, was es wird?«
»Nein.«
»Du hast ja meine Telefonnummer, ruf mich an, wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann«, sagte Max. Er gab auch Letty die Hand. »Pass gut auf
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