Isabelle
dem Staub und versteckte sich in seiner Ehe mit Judith. Vielleicht waren die schon jahrelang hinter ihm her, um sich zu rächen oder ihn zum Schweigen zu bringen. Sie setzen einen Auftragskiller auf ihn an. Der findet ihn und macht sich die Gelegenheit dieser Nacht im Hotel zunutze.«
Marga schaute Nel fragend an.
»Das ist die einzige Theorie, die mehr oder weniger stimmig ist«, sagte Nel.
»Aber wer sind ›die‹?«
»Das herauszufinden, damit verdient Max seinen Lebensunterhalt.«
Als sie Nel Stunden später zu ihrem Auto brachten und ihr zum Abschied nachwinkten, sagte Marga: »Sie ist etwas ganz Besonderes. Du solltest behutsam mit ihr umgehen.«
»Behutsam?« Max konnte sich nicht vorstellen, warum man für CyberNel Samthandschuhe brauchen sollte.
»Sie trägt irgendeinen Schmerz in sich. Vielleicht ist sie früher einmal von einem Menschen oder irgendeinem Ereignis sehr verletzt worden.«
Stirnrunzelnd starrte er sie an.
»Sie versteckt sich hinter dieser lässigen Kleidung und ihrem Blondschopf, aber ich glaube, dass sie mal etwas Schlimmes erlebt hat oder jemand sie tief enttäuscht hat.«
»Ich habe Nel immer nur als ausgeglichene Person erlebt, die genau weiß, was sie will«, antwortete Max. Und als Instrument, fügte er in Gedanken hinzu, als kleines, charmantes Maschinchen.
»Du irrst dich. Sei lieb zu ihr.«
Er sah ihr tief in die Augen. »Du bist in einer merkwürdigen Stimmung. Was ist denn los?«
»Hendrik hat mir geschrieben.«
»Der moderne Rembrandt?«
Sie wandte den Blick ab. »Sei doch nicht so albern.«
»Okay.« Max war Hendrik nie begegnet, reagierte aber immer übertrieben gereizt, wenn sie von diesem Mann sprach, einem Maler historisierender Bilder, der allerdings nicht das Talent des Künstlers van Meegeren besaß und mit dem Marga eine Weile zusammengelebt hatte, bevor er nach Irland ging. »Was schreibt der gute Hendrik denn so?«
»Ach, was soll’s«, versetzte Marga beleidigt und ging zurück in ihr Bauernhaus.
Die Wohnung stank kilometerweit gegen den Wind und Max öffnete ein Fenster, bevor er anfing, sie zu durchsu chen. Er trug Handschuhe, kümmerte sich aber nicht um die Unordnung, die er veranstaltete. Er fand weder ge stohlene Brieftaschen noch eine Neun-Millimeter-Pistole und auch keine Spur von Isabelle, noch nicht einmal ein Foto. Bei dem Bewohner handelte es sich um einen schlampigen Junggesellen, der einmal im Monat in einer rostigen Maschine seine Wäsche wusch und sie auf einem dieser Klappständer auf dem kleinen Betonviereck, das einen Balkon darstellen sollte, zum Trocknen aufhängte.
Die Wohnung befand sich im dritten Stock eines trost losen Wohnblocks in einem heruntergekommenen Ut rechter Stadtrandviertel. Ein Schlafzimmer mit einem ungemachten Doppelbett, ein grauer Kleiderschrank mit einem dunklen Schmutzring rund um den Schlüssel an der Tür, darin Pullover, Hosen und Unterwäsche. Einige Ausgaben des Playboy auf dem verschlissenen Bodenbe lag. Eine stinkende Toilette und daneben eine Dusche, deren Kacheln durch Kalk und eingetrocknete Seifenreste grau angelaufen waren. In der Küche Tütensuppen und Cornedbeef-Büchsen, schimmeliges Geschirr auf der Granitanrichte und Pilskästen darunter. Im Wohnzimmer ein Fernseher mit Großbildschirm, ein Videorecorder und dazu eine umfangreiche Sammlung harter und wei cher Pornos, CDs mit Countrymusik und Walzern von Johann Strauß. Möbelstücke eines Mannes, der kein Inte resse an seiner häuslichen Umgebung besaß. Max fand nichts Interessantes in seinen Papieren und schon gar nicht im Bücherschrank.
Er konnte sich kaum vorstellen, dass Isabelle es ein Jahr lang in dieser Wohnung ausgehalten hatte, es sei denn, sie hätte permanent unter dem Einfluss von Alko hol oder Drogen gestanden. Eine andere Möglichkeit war, dass Gerard Linders nach ihrem Weggang sein Umfeld verwahrlosen ließ und sich als Kompensation der Pornografie hingegeben hatte. Max dachte bei sich: Wenn sie sich schon in diesem Mann so hoffnungslos getäuscht hat, warum dann nicht auch in dem anderen?
Geduldig wartete Max in der Diele, bis er hörte, wie jemand den Schlüssel ins Schloss steckte. Gerard Linders kam herein, warf die Tür hinter sich zu und ging, ohne sich umzuschauen, weiter in seine Wohnung hinein. Er blieb stehen, als er das Klicken des Türschlosses hinter sich hörte, drehte sich um und erstarrte vor Schreck.
»Tag, Gerard.«
Sprachlos starrte Linders Max an. Er war ein knochiger Mann in den Dreißigern, mit
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