Isarbrodeln
man genau hinsah. Da konnte einem dann natürlich auch schon mal der Kragen platzen.
»Wegen mir hättest du ihn nicht gleich steinigen müssen«, meinte Monika, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Sie musste grinsen, obwohl ihr heute generell alles andere als fröhlich zumute war.
»Aber wegen mir. Ja, so ein Depp!«, motzte Max und musste gleich darauf ebenfalls grinsen. »Außerdem habe ich nur ganz kleine Steine genommen. Er hätte selbst einen Volltreffer überlebt. Wahrscheinlich jedenfalls.«
»Ein Depp war er auf jeden Fall. Stimmt. Von denen laufen inzwischen ganz schön viele bei uns herum. Was meinst du? Ist das erst in letzter Zeit so oder gab es die schon immer?« Monika konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Aber es hatte auch einfach zu komisch ausgesehen, wie sich der überhebliche Wichtigtuer voller Angst vor den winzigen Flusskieseln auf sein Fahrrad geschwungen hatte.
»Ich bin mir sicher, dass es schon immer solche Deppen wie den gegeben hat.« Max warf die restlichen Steine, die er noch in der Hand hatte, ins Wasser. Platsch, platsch, platsch. »Und es wird sie garantiert auch in Zukunft immer geben«, fuhr er dann fort. »Vielleicht ist ein Virus daran schuld, das sich im Laufe der Jahrtausende immer weiter vermehrt. Parallel zum geistigen Fortschritt. So dass sich Deppen und Nichtdeppen auf ewig die Waage halten. Könnte doch sein.«
»Könnte sein. Auf jeden Fall nerven so viele Deppen ganz gewaltig, oder?«
»Stimmt, Moni. Aber wenn alle bloß noch Nichtdeppen wären, würde es auch nerven.«
»Stimmt auch wieder. Also?«
»Also lassen wir die Deppen weiter Deppen sein und die Nichtdeppen Nichtdeppen. Dann kann die Welt nie untergehen.« Max warf noch mal einen Stein. Den allerletzten.
Diesmal schaffte er es fast bis zum anderen Ufer hinüber, zuckte aber gleich darauf erschrocken zusammen. Herrschaftszeiten, jetzt habe ich mir bei dem ganzen Schmarrn auch noch den Ellenbogen verrenkt, haderte er innerlich. Habe ich etwa doch einen Tennisarm? Letztes Mal auf dem Platz hat es bei der Rückhand schon immer so komisch gestochen.
»Könnte doch sein, dass jemand neidisch auf seinen Erfolg war?« Monika blickte nachdenklich auf ihre schwarzen Turnschuhe, während sie weitergingen.
»Was?« Wovon spricht sie denn nun schon wieder? Kann sie ihre Gedankensprünge nicht einfach mal bleiben lassen?
»Vielleicht wurde Giovanni von jemandem getötet, der neidisch auf ihn war«, wiederholte sie ihre Idee noch einmal etwas ausführlicher.
»Ach so. Ja, klar. Das ist sicher möglich. Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Oder er hatte Schulden. Alles denkbar. Aber ich weiß wie gesagt im Moment nichts Konkretes.« Max fuhr sich ratlos mit der linken Hand durch die Haare. Seinen schmerzenden, rechten Wurfarm schonte er vorsichtshalber.
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Nichts. Weitermachen. Neue Spuren suchen. Und neue Verdächtige. Aber nicht sofort. Nachher. Jetzt brauche ich erst mal eine kleine, kreative Denkpause und einen Kaffee.«
Sie gingen noch ein Stück weit Richtung Süden. Dann bogen sie von der Isar weg und stiegen auf einem schmalen Teersträßchen den dicht bewaldeten Uferhang nach Großhesselohe hinauf.
11
Im Biergarten herrschte geschäftiges Treiben. Die Tische waren nahezu voll besetzt. Eigentlich untypisch für einen ganz normalen Wochentag. Aber das schöne Wetter hatte offensichtlich noch den letzten Stubenhocker ins Freie gelockt. Es roch nach einer Mischung aus Blüten, Bier, Gebratenem, Gebäck und Kaffee. Und auf dem kleinen überdachten Rondell in der Mitte gab eine dreiköpfige Band ein paar lässige, träge Rhythmen zum Besten, die sich wie Samt in den sonnigen Tag schmiegten. Nicht weit davon entfernt entdeckte Monika zwei freie Plätze an einem Tisch mit Geschäftsleuten im Anzug, die, so wie es aussah, gerade eine verfrühte Mittagspause einlegten.
»Ich hole uns was zu trinken«, bot Max an, während sie sich schon mal setzte. »Was möchtest du?«
»Einen Kaffee und ein Mineralwasser bitte. Und irgendein süßes Stückchen, wenn es welche gibt.«
»Die sind hier aber mit Konservierungsstoffen. Glaube ich jedenfalls. Das magst du doch sonst nicht.«
»Egal. Ich bin heute mutig.«
»Na gut. Wird gemacht. Bis gleich.«
Er stapfte durch den grauen Kies, der überall auf dem Boden verstreut lag, zum Ausschank hinüber und stellte sich in die Reihe der Durstigen. Kurz bevor er drankommen sollte, hielt ihm jemand von hinten
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