Isarbrodeln
die Augen zu.
»Rate mal, wer es ist«, vernahm er im selben Moment eine fröhliche, weibliche Stimme. Sie kam ihm bekannt vor. Aber er konnte sie um alles in der Welt keiner seiner zahlreichen Bekanntschaften zuordnen. Trotzdem versuchte er es.
»Sabine? Anneliese? Sarah? Maggie …?«
»Halt, halt«, unterbrach sie ihn lachend. »Bevor du die gesamte weibliche Bevölkerung Münchens aufzählst, gebe ich mich lieber gleich zu erkennen.«
Sie ließ seine Augen wieder los und drehte ihn an den Schultern zu sich herum.
»Äh, … warte. Ich hab’s gleich. Die Sonne blendet gerade nur so sehr«, fuhr er fort, als er ihr ins Gesicht blickte. »Anna? Nein, äh … Annika?«
»Richtig, Max. Freut mich, dass du meinen Namen noch weißt. Gestern Abend ist ja wirklich schon verdammt lang her … Oder hast du mich etwa daran erkannt?« Sie zeigte auf das kleine Namensschild an ihrer Brust. ›Annika Klingeisen – Lohnbuchhaltung‹ stand darauf.
»Äh … ja … nein. Schmarrn, natürlich nicht. Ich meine, klar kenne ich dich noch. Wie geht es dir? Bist du auch so verkatert wie ich?« Max kratzte sich leicht verlegen am Kopf.
Wie sollte man auch nicht verlegen sein, wenn man einfach nicht mehr so genau wusste, was man am Abend zuvor alles gesagt hatte.
»Nicht mehr. Ich sitze aber auch schon seit acht Uhr morgens in meinem EDV-Kurs. Das Schulungszentrum ist gleich hier um die Ecke.«
Sie konnte wirklich bezaubernd lächeln. Herrschaftszeiten, Raintaler. Die ist richtig hübsch. Einen leicht zickigen Ton hat sie zwar. Sie war ja auch gestern schon so komisch, als es um ihren Ex und die Polizei ging. Aber hübsch ist sie auf jeden Fall. Das hast du anscheinend gar nicht bemerkt vor lauter Rausch. Und vor Trauer natürlich. Oder doch? Nein. Eher nicht. Egal. Bemerkst du es halt jetzt.
»Und was machst du dann hier im Biergarten?« Er lächelte freundlich zurück.
»Wir haben alle zusammen eine kleine Pause eingelegt.«
»Aha.« Hoffentlich will sie sich nicht zu uns setzen, fiel es ihm siedend heiß ein. Das wäre im Moment nicht so günstig. Monika wäre es wahrscheinlich egal. Die sagt sowieso immer, dass wir nicht fest liiert sind. Aber lästige Fragen und Stress gäbe es auf jeden Fall. Und beides brauche ich gerade am allerwenigsten. »Und? Bleibst du noch länger?«, tastete er sich behutsam vor.
»Nein, leider. Ich muss zurück ins Seminar.« Sie hielt den Kopf schief, sah ihm in die Augen und strich sich langsam eine ihrer blonden Strähnen aus dem Gesicht. Er atmete für sie unhörbar innerlich auf.
»Gott sei Dank. Dann krieg ich heute ja doch noch was zu trinken«, freute sich gutmütig grinsend der ältere Herr mit Spazierstock und Hut hinter ihnen. Er hatte die ganze Zeit geduldig darauf gewartet, dass Max endlich seine Getränke bestellte.
»Oh, Entschuldigung«, sagte der schnell und trat einen Schritt beiseite. »Ich habe gar nicht auf Sie geachtet. Gehen Sie doch bittschön einfach vor.«
»Man dankt«, antwortete der freundliche Mann mit einem Lächeln, tat, wie ihm geheißen wurde, und gab beim Schankkellner eine Maß in Auftrag.
»Ja, sollen wir uns dann ein andermal treffen? Morgen Abend zum Beispiel. Hättest du da Zeit?«, erkundigte sich Max bei Annika, als sie alleine waren.
Er gab sich größte Mühe, seine Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. Schließlich wollte er auf keinen Fall aufdringlich wirken. Das wäre einfach uncool gewesen, wie die jungen Leute heute immer sagten. Aber er hatte Lust, sie wiederzusehen und sich mit ihr zu unterhalten. Eine fremde Person konnte ihm im Moment nur guttun, wusste er. Und wenn es eine verständnisvolle, junge Frau war, die auch noch sehr gut aussah, umso besser.
»Ja … hätte ich schon …« Sie sah ihn abwartend an.
»Ja, dann. Super. Morgen Abend um acht in ›Rosis Bierstuben‹? In Ordnung? Wir können ja danach auch noch woanders hinschauen, wenn du willst.«
»Na gut. Ich komme.« Annika reichte ihm lächelnd die Hand zum Abschied, drehte sich um und lief schnell zu ihren anderen Kursteilnehmern, die schon am Ausgang auf sie warteten.
Max gab seine Bestellung auf, bezahlte und kehrte zu Monika zurück.
»Das hat aber lange gedauert. Hast du den Kaffee etwa beim Brückenwirt in Grünwald geholt?«, beschwerte sie sich scherzhaft, als er mit den Getränken und zwei Stück nichtkonservierungsstofffreiem Bienenstich wieder vor ihr stand.
»Äh, nein. Die Schlange war so groß. Schau doch bloß hin.« Er stellte das
Weitere Kostenlose Bücher