Isau, Ralf - Neschan 03
Spur gekommen zu sein, versetzte Yonathan in eine Art Hochstimmung. Vielleicht hatte er in seiner Euphorie wirklich nicht ganz den richtigen Ton gegenüber dem Kapitän getroffen. Er entschuldigte sich später dafür, denn er war dem erfahrenen Seemann wirklich dankbar für dessen Unterstützung. Darüber hinaus wäre eine solch weite Seereise auf dem Rücken Galals ohne den Schutz einer Kajüte, in die man sich zurückziehen konnte, so gut wie unmöglich gewesen.
In den nächsten fünfzehn Tagen genoss er den Komfort der Weltwind. Gemeinsam mit Gimbar zog er zu Yomi in dessen Kajüte. Sie war zwar klein, aber dafür trocken. Din-Mikkith und Girith erhielten die winzige Kammer, die Yonathan bei seiner ersten Fahrt auf der Weltwind bewohnt hatte. Die beengten Verhältnisse an Bord störten jedoch niemanden wirklich. Zu Beginn der Reise hatten Stürme das Meer gepeitscht, sodass die Gefährten die meiste Zeit in der Kapitänskajüte verbrachten. In den letzten fünf Tagen aber hatte sich das Wetter zusehends gebessert. Eine frische Brise trieb nur noch einzelne Wolkenhäufchen wie versprengte Schafe über den Himmel. Die Augenjäger konnten die Stunden des Tages an Deck verbringen, sich den frischen Wind um die Nase wehen lassen und die Seeleute bei ihrer Arbeit beobachten.
So war es auch an diesem Morgen, als plötzlich eine Stimme vom Ausguck herab ertönte. »Schiffe voraus!«
Yonathan und seine Gefährten standen gerade beim Kapitän, auf dem Achterdeck. Kaldek schien sich über die Nachricht wenig zu freuen. Er fragte den Mann im Mastkorb, ob es sich nicht um einen Irrtum handeln könne, vielleicht eine Insel, deren Berge aus dem Meer aufragten. Aber der Späher verneinte, er könne jetzt ganz deutlich eine Vielzahl von Segeln unterscheiden, von mindestens zwei Dutzend Schiffen.
Kaldek sah nun ziemlich mürrisch aus. »Eine Flotte zu dieser Zeit und in diesen Gewässern, das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Vielleicht sollten wir uns nach der Farbe der Segel erkundigen«, schlug Yomi vor.
Die Antwort aus dem Krähennest lähmte die Mannschaft für einen Augenblick.
»Schwarz!«, rief der Späher. »Sie sind schwarz wie die Nacht.«
»Das habe ich befürchtet«, brummte Kaldek. »Ein temánahischer Flottenverband.«
»Vielleicht Schiffe, die Garmoks Feuer entkommen konnten«, vermutete Gimbar.
Yonathan gefiel dieser Erklärungsversuch nicht. »Möglicherweise kreuzen sie auch in diesen Gewässern, weil sie uns suchen; das hieße, wir befinden uns auf dem richtigen Kurs.«
»Da! Da kommen noch mehr!«, rief der Mann vom Ausguck aufgeregt und deutete nach achtern.
Auch von Deck aus konnten die Freunde jetzt schon die Segel von mindestens sechs Schiffen erkennen, die sich im Norden über den Horizont schoben.
»Das sieht mir verdächtig nach einem Hinterhalt aus«, knirschte Kaldek. »Ihr habt recht, Yonathan. Sie müssen gewusst haben, dass wir hier vorbeifahren werden. Wir sind vielleicht auf dem rechten Kurs, doch das nützt uns wenig. Die temánahischen Kriegsschiffe werden nicht hier sein, um uns Geleitschutz zu geben.«
Bald schon tauchten im Westen und im Osten schwarze Segel auf. Die Manöver der Schiffe zeigten deutlich, dass sie der Weltwind nachjagten.
»Kann Galal uns nicht helfen?«, schlug Yomi vor.
»Galal?«, rief Yonathan im Geist. »Hast du Yomis Frage verstanden?«
»Natürlich. Ich bin doch nicht taub.«
»Und?«
»Was: und?«
»Du hast uns doch schon einmal geholfen Verfolgern zu entkommen.«
Galal schien diese Bemerkung zu amüsieren. Es versprühte bunte, explodierende Gedankenbilder. »Euer Menschenschiff damals war klein. Mit dem jetzigen geht dies nicht. Ich kann es nicht zudecken und untertauchen, ohne es kaputtzumachen.«
»Und wenn du… ich meine… die anderen Schiffe ein wenig durchschaukelst? «
»Das mach ich nicht.«
Yonathans Zuversicht schmolz allmählich dahin. »Warum denn nicht, Galal? Es ist wirklich wichtig für uns.«
»Ich kenne die schwarzen Schiffe. Sie pieken mich.«
»Aber du bist doch groß, so schlimm wird es nicht sein!«
»Doch.«
»Galal!«
»Zu viele schwarze Menschenschiffe kommen. Ein paar würden mir nichts ausmachen. Aber wenn alle mich pieken, dann tut es wirklich weh. Ich könnte sterben.« Es trat eine kurze Pause ein. »Galals sterben nicht gerne, Yonathan.«
»Das verstehe ich«, erwiderte jener sanft. Doch seine Unruhe wandelte sich in Verzweiflung.
Kapitän Kaldek protestierte energisch, als Yonathan ihm den Vorschlag
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