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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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bemerkt?«
    »Welches?«
    »Dieses Sichwinden und Jammern, das Ächzen und Klagen.«
    »Ach, das!«
    Torkelmund verdrehte die winzigen Augen zum Loch in der Decke. »Der ehrenwerte Thaddäus glaubt, dass jemand Die verlorene Unschuld gestohlen hat.«
    »Wie kann man etwas stehlen, das schon verloren ist?«
    »Das Buch, du Hohlkopf! Die Steintafel in der Wissenden Druse. Das wertvollste Werk überhaupt. Den Anfang unserer Bibliothek, und wenn wir es nicht bald finden, auch ihr Ende ...«
    »Moment«, sagte Lector empört. »Ich habe es nicht genommen.«
    »Das behauptet ja auch keiner, du hirnloser blauer Bettvorleger.«
    »Ich verbiete mir solche Beschimpfungen. Ich bin kein Vorleger.«
    »Nein, du bist ein Wächter. Der ehrenwerte Thaddäus sagt, du sollst sofort in der Druse nachsehen und ihm Bescheid geben.«
    »Bescheid geben worüber?«
    Torkelmund bekam fast einen Flügelkrampf. »Ob die Steintafel wirklich weg ist, du ... du ... Bücherbold.«
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    Ein wenig beleidigt, aber trotzdem willig machte sich Lector an die Arbeit. An einer kleinen Kurbel ließ er den Gitterkorb bis dicht über das Ei hinab. Dann öffnete er mit einem goldenen Schlüsselchen die Käfigtür, was ihm wegen seiner klobigen, behaarten Hände nicht ganz leicht fiel. Als das geschafft war, ließ er eine Leiter auf den Boden hinunter und machte sich an den Abstieg.
    Endlich blickte er in die Wissende Druse. Abermals richteten sich seine Haare auf. »Beim ollen Scribonius, das gibt's doch nicht!«
    Torkelmund landete auf seinem Kopf und sah selbst, was den Bücherbold so aus der Fassung brachte. »Das Nichts!« fiepte er.
    »Das was?«
    »So nennt der ehrenwerte Thaddäus die leeren Flecken, die anstelle der verschwundenen Bücher zurückbleiben.«
    »Guck mal. Da ist noch was.« Lectors langer Arm langte in die Druse. Obwohl er ungewöhnlich scharfe Augen besaß, hatte er das fast durchsichtige Ding auf den glitzernden Kristallen anfangs nicht bemerkt. »Sieht aus wie eine Kette aus Glas«, staunte er.
    »Oder ein Gürtel«, grübelte Torkelmund.
    »Unsinn! Warum sollte das Buch einen Gürtel tragen?«
    Die Frage blieb vorerst unbeantwortet. Der Buchfalter flatterte auf. »Ich muss dringend Bericht erstatten.«
    »Warte! Und ich?«, rief ihm Lector nach.
    Torkelmund drehte in der Drusenwabe noch eine Runde und erwiderte: »Du bleibst hier. Vielleicht kommt der Dieb ja zurück.«
    »Ist gut«, antwortete der Bücherbold. »Dann haue ich ihn platt.«

    ∞
      

    Die Tür quietschte wie eine Alarmanlage. Karl standen sämtliche Haare zu Berge. Hoffentlich war der Werwolf schon außer Hörweite. Dunkelheit schwappte in die Abstellkammer.
    Nicht direkt in den Lux schauen, wenn dir dein Augenlicht lieb und teuer ist!, ermahnte sich Karl. Rasch hielt er sich den schwarzen Pappdeckel vors Gesicht. Es war unheimlich. Wie auf einem Röntgenbild sah er noch durch den Karton die weiße Hand. Das genaue Spiegelbild des Nox.
    Behutsam tastete Karl sich voran. In seinem dicken Wintermantel brach ihm sofort der Schweiß aus, so heiß war es in diesem Zimmer. Bald stieß er gegen einen Tisch. Er drehte den Kopf zur Seite, legte den Deckel auf die Tischplatte und nahm die Hutschachtel in beide Hände. Rasch stülpte er sie über den Lux. Schlagartig wurde es hell, und er bekam einen Schreck.
    Seine Hände waren zu sehen. Eigentlich hätte es ihm schon nebenan auffallen müssen, aber normalerweise kannte er sich ja nicht anders als gut sichtbar. Hastig fuhr er sich mit der Hand unter das Jackett. Der Gürtel war nicht etwa nur aufgegangen. Er hatte ihn verloren. Vermutlich bei dem Gewanke und Geschwanke in der Wissenden Druse. Irgendwie kam ihm der Verlust seiner Tarnung wie ein böses Omen vor, aber schnell verdrängte er die düsteren Gedanken. Er war nicht abergläubisch, und im Moment lief das Unternehmen »Schwarze Perle« doch besser als erwartet.
    Karl sah sich um. Das Zimmer war etwas größer als die Rumpelkammer nebenan. Zu seiner Linken entdeckte er ein Fenster. Es war gleichfalls mit Farbe abgedeckt, allerdings mit schwarzer. An der gegenüberliegenden Wand sah er eine weitere Tür. An der Decke brannte eine einzelne Glühlampe; der Lux hatte ihr Licht zuvor vollständig verschluckt. Auf dem rechteckigen, langen Tisch stand eine große Keramikschale, in der Hunderte von weißen Perlen lagen. Ein Vermögen! An Geld schien es dem Bösewicht oder seinen Auftraggebern jedenfalls nicht zu mangeln. Karl sah auch

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