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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Bücherdrill sog die Luft wie ein betö
    rendes Parfüm ein und schwärmte: »Wunderbar, nicht wahr?«
    »Warum schwebt das Arbeitszimmer in der Luft?«
    »Oh, das sieht nur so aus. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
    »Mir wird gleich übel Ich dachte, die Phantásische Bibliothek sei... irgendwie anders.«
    »Wie anders?«
    »Keine Ahnung. Anders eben.«
    »Daran wird's wohl liegen.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast dir noch keine Vorstellung von ihrer wahren Form und Größe gemacht, stimmt's?«
    »Naja ... ehrlich gesagt, nein.«
    »Dann wird's aber Zeit. Um die Phantásische Bibliothek richtig wahrzunehmen, muss man sie sich vorstellen können.«
    Karl trat zaghaft einen Schritt vor, drehte sich mit abgewinkelten Armen um und blickte nach oben. Über sich sah er den blauen Himmel, einige Schäfchenwolken und die schwarzen Vögel, die ... Er riss die Augen auf. Eben noch hatte er eines der Tiere über sich dahinschießen gesehen, und im nächsten Moment war es verschwunden. Er deutete nach oben, brachte aber kein Wort heraus.
    Albega erriet trotzdem, was ihn so verblüffte. »Es ist dir also aufgefallen. Die Vogel sind die einzigen, die nach Belieben in der Phantásischen Bibliothek einund ausfliegen können. Wenn einer durch ein Fenster darin verschwindet, kannst du ihn natürlich nicht mehr sehen.«
    »Aber sagtest du nicht, die Bibliothek werde von Borkentrollen bewacht?«
    »Ja. Aber die Vögel sind heilig und dürfen sich hier frei bewegen. Es handelt sich um Schwarze Kollek-Tiben, auch Sammelraben genannt. Sie sind größer als Spatzen, aber kleiner als Krähen. Du erkennst sie an ihren leuchtendblauen Schnäbeln. Eigentlich sind es keine richtigen Raben, sondern, wie der Name schon sagt, Tiben.«
    »Tiben? Noch nie gehört.«
    »Bei dir wundert mich das nicht. Abgesehen vom Glücksdrachen fliegt kein Geschöpf höher als der Kollek-Tibe. Du triffst sie nur hier an, in der näheren Umgebung des Bücherturms. Der Legende nach fangen sie im Flug die Pollen auf, die von der Äußeren Welt zu uns herüberwehen – es sind natürlich keine richtigen Pollen, weshalb wir sie auch als Phantásischen Staub bezeichnen. In ihrem Gefieder tragen die Vögel die eingesammelten Pollen zur Phantásischen Bibliothek, wo daraus, wie wir glauben, die Bücher entstehen.«
    »Vielleicht hat irgendjemand ein paar Sammelraben abgerichtet, damit sie für ihn in der Bibliothek auf Raubzug gehen.«
    »Das ist unmöglich. Die Kollek-Tiben sind unzähmbar. Sie fliegen ein und aus, wie sie es wollen. Außerdem sind sie zu klein, um Bücher fortzutragen.«
    Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte Karl.
    »Was ist denn nun?«, drängte Albega. »Fang endlich an, dir ein Bild von der Phantásischen Bibliothek zu machen.«
    Karl schloss die Augen, um sein Schwindelgefühl in den Griff zu bekommen und besser nachdenken zu können. Ungeschriebene Bücher. Wenn man sie übereinander stapelte, wie hoch mochte der Turm wohl sein?
    »Aller Anfang ist klein«, hörte er Albega spötteln.
    Karl hob ein Augenlid und sah mit einem Mal eine Wand, die das Fenster umgab. Aufgrund ihrer starken Wölbung war aber links und rechts des Balkons nur wenig von der Mauer zu sehen. Ein runder Turm! Wie hoch er wohl ist? Abermals legte Karl den Kopf in den Nacken und sah nun deutlich, dass sich das Bauwerk ganz sanft nach oben verjüngte. Schon nach wenigen Stockwerken wurden die Wände durchscheinend, so dass er die Räume dahinter wie große Segmente in einem Spinnennetz wahrnahm. Noch etwas höher wurde der Turm dann vollends durchsichtig.
    Karl drehte sich, die Arme immer noch abgespreizt, vorsichtig um und blickte nach unten. Wieder überkam ihn Schwindelgefühl. Die Phantásische Bibliothek hing nach wie vor in der Luft. Immerhin bemerkte er nun einen Arkadengang, der sich unterhalb des Balkons in die Tiefe schraubte.
    »Ich schlage vor, du versuchst es noch einmal«, meldete sich Albega neben seinem Ohr. »Stell dir einfach vor, du wärst der Herr über alle diese Bücher. Wie groß müsste die Bibliothek sein?«
    Karl schloss wieder die Augen. Wie groß durfte er sich sein Reich wohl wünschen, ohne unbescheiden zu wirken?
    »Mehr Phantasie hast du nicht?«, hört er Albega piepsen.
    Also gut, du vorlauter Zwerg. Du hast es ja nicht anders gewollt. Karl legte sich jetzt so richtig ins Zeug.
    »Na ja, für den Anfang nicht schlecht«, mäkelte der Bücherdrill.
    »Reicht die Bibliothek endlich bis auf den Boden?«, fragte Karl, ohne die Augen zu

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