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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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anfangen. Er war zu erschöpft, kam sich vor wie ausgeschabt. Da war das überwältigende Gefühl, gerade einen Schlüssel in die Hand bekommen zu haben, aber er wusste ihn nicht zu benutzen. Der Lux und der Nox hatten irgendetwas mit dem Bücherschwund in der Phantásischen Bibliothek zu tun. Aber was?
    »Dann ist es an der Zeit, dass du deinen Teil unserer Abmachung erfüllst«, sagte Edíyax.
    »Eine Frage hätte ich noch«, erwiderte Karl rasch.
    »Sind alle Menschenkinder so wissbegierig wie du?«
    »Manche sind noch viel schlimmer. Was ich dich fragen will, betrifft Gmork. Du hast gesagt, er besitze in jeder Welt eine andere Gestalt. Kannst du mir mehr darüber erzählen?«
    Edíyax schien ernsthaft darüber nachzudenken. Nach einer Weile, antwortete das Spiegelbild: »Nein. Ich habe Gmork nie gesehen, noch kann ich von anderen Augenzeugen berichten.«
    Karl nickte enttäuscht.
    »Halt!«, sagte mit einem Mal der Schemen. »Eine Kleinigkeit fällt mir doch noch ein. Wenn sie dich für die Zeit, die vor dir liegt, zufriedener macht, kann ich sie dir gerne sagen.«
    Karl nickte aufgeregt.
    »Es wird erzählt, Gmork habe besondere Augen.«
    Ein Schauer rann über Karls Rücken. »Besonders? Inwiefern?«
    »Sie sind grün, eigentlich ein gelbliches Grün. Und sie leuchten in der Dunkelheit.«
    Karl traf diese Mitteilung wie ein Hieb mit dem flachen Schwertblatt. Der Brandstifter!, schoss es ihm durch den Kopf, vermischt mit unzähligen anderen Überlegungen. Er hatte die glühenden gelbgrünen Augen mehrfach gesehen. Und er glaubte die beiden Gestalten Gmorks zu kennen: Die eine war die eines stattlichen Menschen und die phantásische die eines riesigen Wolfs. Halb Mensch, halb Wolf? Ein Werwolf!
    Während er versuchte die Tragweite dieser neuen Erkenntnis zu begreifen, überhörte er ganz, wie Edíyax wieder zu sprechen begann.
    »Damit soll es genug sein, mein wissensdurstiger Freund. Zum Nachdenken hast du noch ausreichend Gelegenheit, wenn du für mich meinen Schatz bewachst.« Xayídes Spiegelbild lachte leise in sich hinein. »Jetzt habe ich einen schönen Ersatz für meine beiden zersplitterten Hüter.«
    Erst als das Eis, in dem Karls Beine eingeschlossen waren, wieder zu wachsen begann, begriff er, von welchem Preis Edíyax die ganze Zeit gesprochen hatte. Voller Entsetzen schrie er auf. Er spürte, wie die Kälte an ihm emporwuchs und zugleich wie Feuer brannte. Ehe er reagieren konnte, hatte das Eis seine Hände am Körper gefesselt. Dann erreichte es seine Schultern, kroch den Hals hinauf und umschloss zuletzt seinen Kopf. Wie in dem Moorschlund im Haus der Erwartungen geriet er in Panik. Aber er konnte nicht einmal mehr zappeln, denn der Eisblock, in den Edíyax ihn eingeschlossen hatte, hielt ihn fester, als jede Fessel es hätte tun können. Nun musste er unweigerlich sterben ...
    Nach einer Weile dämmerte ihm, dass er wohl doch nicht so schnell ersticken würde. Obwohl er nicht atmen konnte, blieb er am Leben. Wie in einem Wachtraum nahmen seine Augen alles wahr. In dem Eis bildeten sich kleine Kristalle, so dass es hier und da undurchsichtig wurde, aber zufällig blieb ein Sehschlitz über seinem Gesicht frei. So konnte Karl mitverfolgen, wie Edíyax ihn hingebungsvoll bewunderte, wie der Schemen sich vor Lachen bog, wie schwarze Panzerriesen kamen und ihn aufhoben, wie sie mit ihm durch den lichten Schacht in die Empfangshalle hinabschwebten und ihn dann durch die Falltür in die unterirdischen Gewölbe brachten. Für einen Moment sah er eine andere Ritterrüstung vorauseilen. Sie trug den weißen Beutel mit dem Nox.
    Spätestens jetzt begriff Karl, was Xayídes Spiegelbild mit ihm vorhatte, und die Vorstellung war so grauenvoll, dass er abermals die Besinnung verlor.
       
      
     
       
DIE VERWANDLUNG
     
     
    Die glühende Kälte war nicht einmal das Schlimmste.
    Mehr noch litt Karl unter dem Eingeschlossensein im magischen Eis. Es war kalt, und zugleich brannte es auf seiner Haut wie Tausende von Wespenstichen. Zum Glück hatte er den Wintermantel von ... Karl konnte sich nicht mehr richtig entsinnen, von wem das alte Kleidungsstück stammte. War es sein Vater gewesen? Dieser ständig gedrückte Mann, der den viel zu frühen Tod seiner Frau niemals verwunden hatte?
    Ausgelöscht. Die Erinnerung an den vom Leben enttäuschten äußeren Menschen war aus Karls Gedächtnis gelöscht, wie ein raues Gewand, das man abstreift und ins Feuer wirft. In seinem Bewusstsein gab es nur noch ein blasses

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