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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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schlug er die Türen zu und verweigerte sich ihr.
    »Walther hat Ähnliches erwähnt«, verriet sie.
    Isenhart rückte unwillkürlich näher, die Türen öffneten sich wieder, und erneut ertasteten beider Gedanken diejenigen des anderen. Sophia nahm das als eine wohlige Wärme wahr, die ihren Körper nicht gleichmäßig traf, sondern sich aus ihrer Brust ausbreitete.
    »Ähnliches?«
    »Walther von Ascisberg beschäftigt sich schon lange mit der Zeit«, antwortete Sophia, »ihn treiben dieselben Gedanken um.«
    In Isenharts Gesicht spiegelte sich angenehme Überraschung. »Woher weißt du das?«
    Sophia schenkte ihm ein entrücktes Lächeln. »Walther hat mich unterrichtet«, flüsterte sie. Eigentlich bestand kein Anlass, die Stimme zu senken, denn es gab niemanden, der sie belauschte, aber Sophia war daran gelegen, Isenhart dieses Mal keinen Grund zu liefern, sich zurückzuziehen. Also beließ sie es beim Flüstern, das sein Scherflein beitragen sollte.
    Nachdem sie damals während der Flucht vor den Häschern Wilbrands über das gesprochen hatten, was Walther ihre »Gabe« nannte, hatte von Ascisberg sie seiner bedingungslosen Hilfe versichert, ein Eid, den er beim Anblick dessen, was von Heiligster übrig war, als sie es erschöpft erreichten, erneuerte. Und den sie nicht viel später auch in Anspruch nahm.
    »Ich will von Euch lernen, was Ihr einen Knaben lehrt«, hatte Sophia gefordert. Walther sah sie überrascht an.
    »Ihr seid ein weiblicher Nachkomme des Hauses Laurin, Sophia«, erwiderte er, »bald werdet Ihr eine Frau sein. Der Herr hat Euch nicht geschaffen, um Wissen zu sammeln, sondern um dem Manne untertan zu sein. Dieses ist Eure Aufgabe.«
    »Ich will aber niemandem untertan sein.«
    »Aber Gott beruft Euch zum Untertan.«
    »Dem Herrgott mag ich Untertan sein.«
    Von Ascisberg seufzte erleichtert.
    Doch Sophia war noch nicht fertig: »Aber nicht dem Mann.«
    Walther nahm sie genauer in Augenschein als jemals zuvor, diese magere Gestalt, der das Schlüsselbein die blasse Haut spannte, die roten Haare, die ihre Andersartigkeit unterstrichen, und die grünen Augen, die ohne Angst in den seinen ruhten.
    »Wenn Ihr mich teilhaben lasst«, sagte sie ruhig, »werde ich allerdings Euch untertan sein und alles tun, was Ihr von mir verlangt.«
    Von Ascisberg musste wegen des heiligen Ernstes lächeln, mit dem das Mädchen zu ihm sprach. Selbstverständlich war dies kein Argument, ihr Wunsch widersprach der göttlichen Ordnung.
    »Eva hat die Erbsünde begangen, die sich in allen Menschen ihrerArt fortgepflanzt hat. Es ist die Schuld einer jeden Frau«, entgegnete er, »und die tragen du und deinesgleichen bis zum Jüngsten Gericht.«
    »Ich habe keine Sünde begangen«, widersprach Sophia.
    Walther nickte mit jener Güte, die in seinen späteren Jahren mehr und mehr sein Wesen bestimmen sollte: »Das weiß ich sehr wohl. Aber du trägst die Sünde in dir wie ein Geschwür, das sich eines Tages Bahn brechen könnte.«
    Sophia legte den Kopf schief und betrachtete ihn weiterhin. »Ist es Furcht, die Ihr vor mir empfindet?«
    »Ich empfinde Respekt vor deiner Gabe«, stellte Walther klar, »aber ich fürchte mich nicht.«
    Die grünen Augen starrten unverhohlen in seine Pupillen, als könnten sie dadurch Zugang zu seinem Geist erlangen. Es widerstrebte ihm, aber er kam tatsächlich nicht umhin, den Blick kurz zu senken.
    »Gibt es nichts, wovor Ihr Furcht habt?«, klang ihre helle Stimme an sein Ohr.
    Er musste schmunzeln und sah ihr nun seinerseits in die Augen, um einen Blick auf das zu erhaschen, was sich dahinter verbarg. »Ich habe vor so ziemlich allem Furcht«, erwiderte er ruhig, »vor allem vor dem, was sich meinem Verstand entzieht. Und das ist mehr, als mir lieb ist.«
    Er legte eine Pause ein, um sich die Gelegenheit zu verschaffen, Sophia abermals eingehend zu betrachten.
    »Gut. Du sollst deinen Unterricht erhalten. Aber ich muss dich warnen.«
    Sophia betrachtete ihn mit großen Augen. Worin würde die Warnung wohl bestehen? »Ich muss anderen gegenüber verschweigen, was ich gelernt habe«, vermutete sie.
    Walther schüttelte den Kopf: »Nein, ein Wissender, der schweigt, vergeht sich an der Welt. Aber Vater Hieronymus hat Anna und dich sicher darüber unterrichtet, was passiert, wenn man von der Frucht der Erkenntnis isst.«
    Sophia nickte ehrfürchtig. »Mein Bruder und Isenhart haben sie auch gegessen.« Es war mehr eine Frage, die sich in einer Feststellung verbarg.
    Von Ascisberg nickte:

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