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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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einen Verbündeten gefunden. Diese Koalition hatte aber einen banalen Grund, denn Hieronymus freute sich grundsätzlich über jeden Muselmanen, der einen Kopf kürzer gemacht wurde.
    »Ich will nichts hören«, sagte Konrad daher leise, als der Name des Großmeisters fiel.
    »Was wollt Ihr dafür haben?«, fragte Hieronymus den fahrenden Händler mit zitternder Stimme.
    »Wie könnte ich mit dem Kreuz Eures lieben Herrn Jesus Handel treiben, Vater?«, fragte Alexander von Westheim. »Es ist ein Geschenk an Euch und möge Eure Kapelle unter den besonderen Schutz Gottes stellen.«
    So viel Selbstlosigkeit trieb Hieronymus die Tränen in die Augen, ein Teil der Welt verschwamm vor ihm, und völlig überwältigt segnete er Alexander von Westheim, bevor er mit dem Holzsplitter in der Kapelle verschwand.
    Anschließend kaufte Chlodio das Haarwuchsmittel, von dem der Jude ihm versicherte, es sei in Akkon hergestellt und tausendfach erprobt worden. Der Pinkepank wiederum machte beträchtlichen Gewinn beim Verkauf von Steigbügeln, Gabeln und Dolchen, die Alexander von Westheim in Prag zum doppelten Preis an den Mann bringen würde.
    Henrick hatte ein Auge auf die beiden schwarz gefiederten Hühner geworfen, die ihr Dasein in einem kleinen Käfig fristeten, der ihnen kaum genug Platz bot, um sich um die eigene Körperachse zu wenden.
    Von Westheim nannte sie »Cochin-Hühner«, da sie aus der Region Cochin in China stammten – das jedenfalls erzählte er. Henricks Leidenschaft für das Federvieh war von solcher Reinheit, dass der Händler es nicht über sich brachte, ihn zu belügen. Zudem hielt er Henrick für leicht zurückgeblieben. Nichts wareinfacher und bereitete weniger Spaß, als einen Simpel übers Ohr zu hauen. »Sie legen nur achtzig Eier im Jahr«, gestand er deshalb.
    Henrick nickte mit abwesendem Blick. Eier? Es war typisch für einen Händler, die Dinge nur unter dem Aspekt von Wert und Gegenwert zu betrachten, dachte Henrick. Was dem Juden dadurch für eine Welt verschlossen blieb! Hatte er denn kein Auge für den Daunenreichtum der beiden Hühner? Für ihre reich befiederten Läufe und die zierlichen Köpfe? Für ihre – trotz der beengten Situation – würdige Haltung?
    Vermutlich nicht. Henrick hatte schon früh begriffen, dass er in einer Welt zu Hause war, in der man sich nur ein wenig dumm anstellen musste, um von schweren oder komplizierten Arbeiten verschont zu bleiben. Deswegen wurde Isenhart in der Schmiedekunst unterwiesen und nicht er. Keine beißenden Dämpfe, kein Schwitzen, keine Verbrennungen an Armen und Händen.
    Wegen seines scheinbar mangelnden Geschicks behelligte man ihn nur noch mit Arbeiten, bei denen weder Menschen noch Tiere oder Gegenstände zu Schaden kommen konnten. So sammelte er Reisig oder drosch draußen mit dem Gesinde das Korn.
    Henrick war daher nicht sonderlich überrascht, wie tief Alexander von Westheim den Wert der Cochin-Hühner veranschlagte, denn er hatte beobachtet, dass die Genugtuung des Händlers über ein erfolgreiches Geschäft umso größer ausfiel, je schlauer er sein Gegenüber wähnte. Sanft auf die Hühner einredend und innerlich jubelnd trug Henrick die Cochins zu dem Gehege.
    Von Westheim verkaufte Safran und Zimt, Wolle und Leinen, Leder und Armreife. Da bemerkte er Anna und Sophia. Sophia trug die Haare, deren Blond ein wenig ins Rötliche ging, immer noch recht kurz. Sie standen ihr struppig vom Kopf ab. Zusammen mit ihrer Schwester sollte sie Salz kaufen. Anna trug ihre Haare offen, sie fielen ihr auf die Schultern. Anders als ihre jüngere Schwester, die stets einen für ihr Alter ungewöhnlichen Ernst und grimmigen Blick an den Tag legte, war Anna von einer erfrischenden Heiterkeit. Nichts schien sie zu bekümmern.
    Und sie war hübsch, wenn auch zu dünn, um wirklich schön zu sein.
    »Komm näher, schönes Kind«, sagte von Westheim trotzdem und lächelte.
    »Wir brauchen Salz«, sagte Sophia.
    Isenhart fand, sie benahm sich wie ein Trampel. Sie bewegte sich auch wie einer.
    Von Westheim nickte zwar, sein Interesse galt aber ausschließlich Anna. »Ich habe etwas für dich«, fuhr er fort, griff in eine Kiste und zog einen kleinen Lederbeutel hervor, den er ihr reichte. Um sie herum schaute das Gesinde nach den Waren auf der Wagenfläche, prüfte die Festigkeit von Holzgabeln und die Struktur der Tücher.
    »Was ist das?«, fragte Anna.
    Der Händler ging in die Hocke, betrachtete Anna einen Augenblick, ihre Gesichtszüge, die schmalen

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