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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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kleines, unbedeutendes Dorf, an dem Rhein und Neckar aufeinandertrafen. Bei Fischern und Bauern erkundigten sie sich nach dem Weg in Richtung Worms, bevor sie in nördlicher Richtung weiterzogen und etwa die Hälfte der Wegstrecke nach Worms zurücklegten. Dort zahlte Simon Rubinstein die Männer aus und entließ sie, bevor er sich abseits der Römerstraße über Spira zurück nach Bruchsal begab.
    Langsam sehnte er sich nach dem Ofen in seiner Stube, so sehr hatten die Winternächte ihm zugesetzt.
    Offenbar verfingen die falschen Fährten bei Wilbrands Männern, die man in Spira antraf, aber auch auf dem Gut Walthers, das sie verwaist vorfanden. Zuletzt sichtete man sie bei Mannenheim und hörte von einigen, die ohne Erfolg nach dem Nachtlager in Worms suchten, in dem Konrad von Laurin sich aufgehalten haben sollte.
    Auch Wilbrand von Mulenbrunnen erreichten die verschiedenen Nachrichten über die Fluchtroute, die vermutlich Walther von Ascisberg geplant hatte.
    Aber irgendwo zwischen Mannenheim und Worms verlor sich die Spur von Konrad von Laurin. Alle Nachforschungen verliefen im Sande. Es war, als habe der Erdboden ihn verschluckt.
    Vermutlich, dachte Wilbrand, waren sie bis nach Frankreich geflohen, um dort unterzutauchen, wo der Einflussbereich des Abtes endete.
    »Es gibt einen unter ihnen, den man Isenhart nennt«, hatte Wilbrand seinen Männern mit auf den Weg gegeben, »tötet ihn nach Möglichkeit nicht, sondern schafft ihn zu mir.«
    Es war derselbe Befehl, den er auch den Brabanzonen vor dem Sturm auf die Burg Laurin erteilt hatte. Doch blieb Isenhart ebenso unauffindbar wie der Stammhalter.
    Der Morgen war durchdrungen von trockener Kälte, am Himmel fand sich keine Wolke, und Isenhart genoss die Wärme der Sonnenstrahlen, die sich auf sein Gesicht legten. Vor ihm erhob sich der Ascisberg.
    Ein Turmfalke, den er zuvor nicht bemerkt hatte, hob die Schwingen. Als Isenhart sich ihm bis auf zwanzig Fuß genähert hatte, stieß er einen spitzen, hellen Schrei aus und glitt von dem Ast, auf dem er ausgeruht hatte. Mit nur vier, fünf Flügelschlägen erhob er sich in die Luft und tat keinen weiteren Schlag mehr, sondern schwebte wie von unsichtbaren Kräften getragen am Himmel entlang.
    Isenharts Blick folgte dem Falken aufmerksam. Die Erde gehörte den Menschen, der Himmel den Vögeln, so stand es schon in der Heiligen Schrift geschrieben.
    Bruchsal mochte etwa fünf Meilen entfernt sein. Legte man zugrunde, dass selbst ein geübter Wanderer zwei Stunden benötigte, um eine Meile zurückzulegen, war Bruchsal im Laufe eines Tages kaum erreichbar, mit dem Pferd kostete es ihn an die acht Stunden. Nach Spira doppelt so viel.
    Isenhart orientierte sich an zwei Bäumen in der Landschaft, die der Turmfalke im Segelflug hinter sich ließ. Isenhart schätzte grob die Geschwindigkeit des Vogels und berechnete die Zeit, die dieser bis nach Bruchsal benötigen würde: kaum mehr als eine Stunde. Wäre er in der Haut dieses Falken, überlegte Isenhart, könnte er binnen zwei Stunden Spira erreichen.
    Und wie schnell wären wohl fliegende Menschen im Heiligen Land?
    Er lachte über sich, lachte laut über diesen absurden Gedanken,bis der Ascisberg ihm mit dem Echo seines Lachens antwortete und er verstummte.
    Fliegende Menschen – das war nicht nur absurd, es war vermessen und wider die Natur. Wenn Gott gewollt hätte, dass sie mit den Vögeln fliegen, hätte er den Menschen mit Flügeln ausgestattet.
    Gerne hätte er seinen Geist noch in diesen für ihn jungfräulichen Gefilden schweifen lassen, aber nun erreichte Isenhart eine Erhebung neben dem Ascisberg, die ihm freie Sicht auf die Burg Laurin gestattete. Und jeden Gedanken über das Fliegen davonfegte.
    Obwohl von etlichen Fußspuren aufgewühlt und zertreten, kennzeichnete das dunkel gewordene Rot des Blutes, das im Weiß des Schnees noch zu sehen war, den Ort, an dem Anna ermordet worden war.
    Als Isenhart sein Pferd unter der Eiche anhielt, verflog der Hauch des Mitleids, das er für Alexander von Westheim empfunden hatte. Er ließ sich aus dem Sattel gleiten und war froh, endlich festen Boden unter den Füßen zu spüren. Er kniete nieder, senkte seine Hand und nahm mit zwei Fingern einige Eiskristalle auf, die auf seinen Fingerkuppen zu rotem Wasser zerschmolzen.
    Isenhart roch daran, aber es stieg ihm nur der Duft von Eisen in die Nasenlöcher. Das Blut hätte ebenso gut von einem Tier stammen können. Er legte die Finger auf die Zunge und schmeckte es. Ihm

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