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Ismael

Ismael

Titel: Ismael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Quinn
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Menschwerdung und auch nicht der Preis der Dinge, die du gerade aufgezählt hast. Es ist der Preis für die Aufführung einer Geschichte, in der die Menschheit gegen die Welt antritt.«

Fünf
    1
    »Wir haben jetzt Anfang und Mittelteil der Geschichte beisammen«, sagte Ismael, als wir unser Gespräch am nächsten Tag fortsetzten. »Der Mensch beginnt endlich, seine Bestimmung zu erfüllen. Die Eroberung der Welt ist eingeleitet. Und wie endet die Geschichte?«
    »Wahrscheinlich hätte ich gestern gleich weitermachen sollen. Jetzt habe ich irgendwie den Faden verloren.«
    »Vielleicht hilft es dir, wenn wir uns das Ende des zweiten Teils anhören.«
    »Gute Idee.« Ich spulte das Band um ungefähr eine Minute zurück und spielte es ab.
    »Endlich war der Mensch von all den Einschränkungen frei, die ... Drei Millionen Jahre hatten die Menschen als Jäger und Sammler ein sehr reduziertes Leben geführt. Mit dem Aufkommen des Ackerbaus änderte sich das, und der Mensch begann seinen kometenhaften Aufstieg. Die Seßhaftigkeit führte zur Arbeitsteilung, die Arbeitsteilung zur Technik, mit der Technik kamen Handel und Verkehr, mit Handel und Verkehr die Naturwissenschaften, Bildung und alles andere. Der Stein war endlich ins Rollen gekommen, und der Rest ist, wie es heißt, Geschichte.«
    »So«, sagte ich. »Also gut. Der Mensch war bestimmt, die Erde zu erobern und zu beherrschen, und das ist ihm auch gelungen - fast. Er hat es nicht ganz geschafft, und es sieht so aus, als könnte ihm das zum Verhängnis werden. Das Problem ist, daß der Mensch die Welt, indem er sie eroberte, zugleich zerstörte. Und unser ganzes Können reicht nicht aus, dieser Zerstörung Einhalt zu gebieten - oder den Schaden zu beheben, den wir bereits angerichtet haben. Wir haben unseren giftigen Abfall auf der Erde ausgeleert, als sei sie eine unerschöpfliche Müllkippe - und wir tun es immer noch. Wir haben unersetzliche Ressourcen verschwendet, als könnten sie nie versiegen - und wir verschwenden sie immer noch. Man kann sich kaum vorstellen, daß die Erde diese Mißhandlung weitere hundert Jahre überlebt, aber niemand tut etwas dagegen. Wir überlassen die Lösung des Problems unseren Kindern oder deren Kindern.
    Nur eins kann uns retten: Wir müssen unsere Herrschaft über die Welt vervollkommnen. Zwar haben wir den ganzen Schaden erst durch die Eroberung der Welt angerichtet, aber wir müssen trotzdem damit weitermachen, bis unsere Herrschaft absolut ist. Erst dann, wenn wir alles unter Kontrolle haben, werden alle Probleme gelöst sein. Wir werden die Atomkraft haben, es wird keine Umweltverschmutzung mehr geben, wir werden den Regen nach Bedarf an- und abstellen, wir werden auf einem Quadratzentimeter einen Scheffel Weizen anbauen, wir werden die Ozeane wie Felder bestellen, wir werden das Wetter kontrollieren, und es wird keine Orkane, keine Tornados, keine Dürren und keinen Frost zur falschen Zeit mehr geben. Die Wolken werden auf unser Kommando über dem Land abregnen statt über dem Meer, wo der Regen verschwendet ist. Alles Leben auf diesem Planeten wird in unseren Händen sein - wo es nach dem Willen der Götter ja auch hingehört. Und wir werden es manipulieren wie ein Programmierer seinen Computer.
    Das also ist unsere Aufgabe. Wir müssen die Eroberung fortsetzen. Anders gesagt, wir werden die Erde entweder zerstören oder in ein Paradies verwandeln - in das Paradies, das sie unter der Herrschaft des Menschen eigentlich sein sollte.
    Und wenn uns das alles gelingt, wenn wir endlich die absoluten Herren der Welt sind, dann kann uns nichts mehr aufhalten. Dann beginnt das Zeitalter der Sterne. Der Mensch wird ins All aufbrechen und das ganze Universum erobern und beherrschen. Und vielleicht ist das seine wirkliche Bestimmung: das Universum zu erobern und zu beherrschen. So wunderbar ist der Mensch.«
    2
    Zu meiner Überraschung nahm Ismael einen Zweig von seinem Haufen und fuchtelte damit begeistert herum. »Das war ausgezeichnet«, sagte er und nickte. Dann biß er die belaubte Spitze des Zweiges ab.
    »Aber natürlich weißt du, daß du diesen Teil der Geschichte vor hundert oder auch nur fünfzig Jahren anders erzählt hättest. Du hättest nur von dem künftigen Paradies gesprochen. Die Vorstellung, die Eroberung der Welt durch den Menschen könnte etwas anderes als segensreich sein, wäre dir vollkommen fremd gewesen. Bis vor dreißig oder vierzig Jahren waren die Menschen deiner Kultur noch fest davon überzeugt, alles

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