Istanbul
spaziert hier – gefühlt – halb İstanbul auf und ab und es kann entsprechend eng werden. Ruhiger geht es im ViertelCihangir südwestlich von Beyoğlu zu, eine der beliebtesten und teuersten zentralen Wohngegenden der Stadt mit netten Boutiquen, Cafés und Restaurants. Zur intellektuellen Elite des Landes, die hier zu Hause ist, gehört auch Orhan Pamuk.
Westliche Großstadtmoral bestimmt das Bild und die Menschen Beyoğlus. Viele Bewohner verlassen ihren Stadtteil nie, und von den strengen anatolischen Sitten anderer Viertel will hier kaum jemand etwas wissen. Nirgendwo kann man besser den Trends und Gegensätzen der modernen Türkei nachspüren als in Beyoğlu. Schon immer war die Atmosphäre hier freier als anderswo in İstanbul. Jahrhundertelang galt Pera, so der alte Name Beyoğlus, als der kosmopolitische Mittelpunkt des Osmanischen Reiches, als bevorzugtes Botschafts- und Wohnviertel der Europäer und nichtmuslimischen Minderheiten. Elektrischen Strom und Wasserklosetts gab es hier schon, als man jenseits des Goldenen Horns noch nicht einmal davon gehört hatte. Mit der Republikgründung zogen die Botschaften nach Ankara. Mit ihnen gingen die Ausländer, die den Stadtteil geprägt hatten.
Zurück blieben ihre grandiosen Gesandtschaften, die teils noch heute als Konsulate genutzt werden, ihre versteckt gelegenen Kirchen, ihre Art-nouveau-Bauten und der westliche Lebens-stil. Es gibt viel zu entdecken, kunsthistorische Besonderheiten sind jedoch keine darunter. Der internationale Hype um den Stadtteil als Aushängeschild der „Trendcity İstanbul“ hat Beyoğlu auch bei Touristen sehr populär gemacht.
Taksim und Beyoğlu
Spaziergang
Taksim heißt „Verteiler“. In Anbetracht seiner Funktion als Drehscheibe im Getümmel der Millionenmetropole ist der Name des Platzes heute genauso passend wie im 18. Jh., als auf demTaksim Meydanı Wasser aus dem Belgrader Wald in einem Reservoir gestaut und nach Pera weiterverteilt wurde. Rund um den Platz ragen ein paar Luxushotels in den Himmel. An seiner Ostflanke steht das Atatürk-Kulturzentrum (Atatürk Kültür Merkezi, kurz AKM), ehemaliger Dreh- und Angelpunkt des İstanbuler Kulturlebens. Was aus dem hässlichen Bau der kemalistischen Moderne künftig werden soll (Abriss oder Restaurierung?), war zuletzt noch unklar.
Ewiger Trubel auf der İstiklal Caddesi, der „Straße der Unabhängigkeit“
Atatürk selbst ist auch vertreten. Das Denkmal der Republik (Cumhuriyet Anıtı) inmitten einer kleinen, kreisrunden Grünfläche zeigt ihn in heroischer Pose mit seinen einstigen Weggefährten.
Südwestlich davon beginnt dieİstiklal Caddesi, İstanbuls Amüsiermeile. Eine nostalgisch herausgeputzte Straßenbahn fährt auf ihr bimmelnd hoch und runter. Gleich zu Beginn drängen sich linker Hand Dönerstände um einen Burger King. Dahinter erhebt sich die griechische Hagia-Triada-Kirche (Aya Trias Kilisesi). Der auffällige Kuppelbau vom Ende des 19. Jh. erinnert mehr an eine Moschee denn an ein christliches Gotteshaus. Das niedrige Gebäude hingegen, das zu Beginn der İstiklal Caddesi rechter Hand steht, beherbergt das Französische Konsulat und Kulturinstitut. Es wurde 1719 als Hospital für Pestkranke errichtet.
Der nördliche Teil der İstiklal Caddesi und ihre Nebengassen machen schon am Tag Lust auf die Nacht, wenn Beyoğlu zum Magneten der Flaneure wird. Hier liegt der Fokus des Nightlifes, hier reihen sich Bars, Cafés, Clubs und Restaurants jeglicher Couleur nicht nur aneinander, sondern stapeln sich zuweilen auch aufeinander – vier Kneipen auf vier Etagen sind keine Seltenheit. Um zwei Uhr nachts ist hier an Wochenenden mehr los als auf dem Ku'damm am letzten Samstag vor Heiligabend! Auch ist hier die zarteste Versuchung İstanbuls zu finden: Linker Hand, in einem winzigen Verschlag an der Ecke İstiklal Caddesi/Büyükparmakkapı Sokak, wird seit 1932 beste Hausmacherschokolade verkauft, ganz simpel in Alufolie verpackt.
Weiter an der İstiklal Caddesi lohnt ein Abstecher in die Balo Sokak mit dem Doğançay Müzesi (Doğançay-Museum), das der international renommierte İstanbuler Künstler Burhan Doğançay ins Leben rief. Über die Balo Sokak gelangt man auch in die Nevizade Sokak , eine der fröhlichsten Restaurantgassen der Stadt. An Sommerabenden sitzt hier Tischgemeinschaft an Tischgemeinschaft im Freien, und auf dem schmalen Gang dazwischen drängen sich Geigenspieler, fliegende Händler und Kellner mit riesigen Meze-Tabletts.
Die Nevizade
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