Italien zum Verlieben (German Edition)
war sie denn all die
Jahre gewesen? Und jetzt tauchte sie einfach aus heiterem Himmel hier
auf und machte auf liebe Nichte? Nein, nein, da steckte etwas
dahinter, das wusste er und das würde er auch beweisen. Er
würde ab jetzt nett zu ihr sein, ihr Vertrauen gewinnen und sie
dazu bringen, sich zu verraten. Und dann würde er ihr Vorhaben
bloß stellen. Dann könnte sie ihren kleinen deutschen
Hintern wieder nach Hause fahren und sie könnten hier in Ruhe
weiterleben.
Marco fühlte sich nun etwas besser. Er würde
es dieser Anna schon zeigen. Immerhin war er nicht so naiv und leicht
zu beeindrucken wie Tonio und die anderen. Die schien Anna ja schon
alle um den Finger gewickelt zu haben. Das war ihr ja wahrscheinlich
auch nicht schwer gefallen mit ihren großen blauen Augen und
dem unschuldigen Lachen. Unwillkürlich sah er ihr Gesicht vor
sich und es wurde ihm wieder etwas unwohl. Gutaussehend war sie ja
schon und in jedem Fall fähig, ihn zu reizen, dass spürte
er. Diese feinen Züge, die Art, wie ihr ganzes Gesicht strahlte,
wenn sie lachte, so als würde die Sonne aufgehen, ihre schönen
langen blonden Haare, die zierliche Figur und diese weiche Haut...
wie sie sich wohl anfühlen würde? - Nein, Moment mal, in
diese Richtung durfte er erst gar nicht weiterdenken. Daraus würde
mit dieser hinterhältigen Frau sowieso nichts werden.
Er trank rasch sein Glas leer und zog sich in seine
Wohnung zurück.
4
Alle anderen hatten schon gefrühstückt und
Anna saß noch bei einer Tasse Kaffee vor dem Haus, als Marco
über den Hof herüberkam. Er hatte scheinbar bereits bei
sich daheim gegessen.
"Morgen! Ich habe den Zettel schon", begrüßte
ihn Anna und hielt den Einkaufszettel hoch, den ihr Violetta vorhin
beim Frühstück gegeben hatte.
"Morgen. Na dann können wir ja gleich los",
entgegnete er freundlich.
Anna war von dieser vergleichsweise netten Begrüßung
ein wenig überrascht, stand aber gleich auf und ging mit ihm um
das Haus herum zum Schuppen, in dem der Lieferwagen und auch ihr
kleiner Fiesta stand. Nachdem Marco das Tor geöffnet hatte, ging
er mit ihr auf die Beifahrerseite des alten Fiat und öffnete ihr
die Tür.
'Na so was', dachte sich Anna, 'was ist denn jetzt los?'
Verwundert stieg sie ein und er schloss die Tür sorgsam hinter
ihr, bevor er um den Wagen herumging, selbst einstieg und aus dem
Schuppen fuhr. Anna blickte ihn forschend an. Seine Gesichtszüge
waren entspannt und er sah nicht mehr so mürrisch aus wie
gestern. Aber woher kam nur diese plötzliche Verwandlung. Und
dass er ihr gleich noch wie ein altmodischer Gentleman die Wagentür
aufhielt, setzte allem noch die Krone auf. War das etwa der echte
Marco? Oder spielte er ihr nun etwas vor, um den Vormittag nicht
allzu unangenehm für sie beide werden zu lassen? Anna war
verwirrt und wusste nicht so recht, wie sie mit dieser neuen
Situation umgehen sollte. Am besten war wahrscheinlich, einfach
mitzumachen und zu versuchen, eine nette Unterhaltung zu beginnen.
Als sie auf die Hauptstraße einbogen hatte sie sich gerade
einen Satzbeginn überlegt, als er ihr zuvorkam.
"Maria hat erzählt, du bist Journalistin?"
"Ja, das stimmt." Anna war froh, dass er den
Anfang machte und ein so unverbindliches Thema gewählt hatte.
Ihr fiel jetzt erst auf, was für ein perfektes Deutsch er
sprach. Klar, er musste ja zweisprachig aufgewachsen sein, doch Anna
traute sich nicht, das weiter zu hinterfragen, da ihm ein Gespräch
über seine Mutter wahrscheinlich eher unangenehm wäre.
"Das ist sicher ein sehr interessanter Beruf,
oder?" fragte er weiter. "Ich meine, man hört doch
bestimmt immer wieder etwas Neues weil man mit vielen Menschen zu tun
hat."
"Ja, genau, deshalb macht es mir ja auch so viel
Spaß. Obwohl ich nur in einer Lokalredaktion arbeite und da
passieren eigentlich nur selten wirklich spannende Dinge."
"Auf einem Weingut kommt man nicht viel mit Leuten
zusammen."
"Das denke ich mir. Dafür hat man aber doch
den ganzen Tag die Natur und die frische Luft. Das gibt einem doch
sicher ein schönes Gefühl von Freiheit, oder?"
"Natürlich. Für Menschen, die kein
Problem damit haben, relativ isoliert zu leben und auf den
alltäglichen Klatsch und Tratsch zu verzichten, ist es das
Schönste, was es gibt. Deshalb wollte ich diesen Job ja auch
unbedingt haben."
Anna kam es etwas komisch vor, wie er diesen Satz
formulierte. Ob er damit versuchte, irgendetwas zu bezwecken? Was war
nur heute wieder mit diesem Mann los? Unsicher, wie sie
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