Italien zum Verlieben (German Edition)
erzählt hatte, hatte ihn
überwältigt, geschockt und es hatte ihm irgendwie das
starke Gefühl gegeben, dass es ihr ähnlich erging wie ihm;
dass sie beide Ähnliches durchzumachen hatten. Er hatte sich
plötzlich mit ihr so verbunden gefühlt. Sie hatte ihm ihre
ganz intimen Gefühle mitgeteilt, ihr einen Einblick in ihre
Seele gewährt, er hatte gemerkt, dass sie es ehrlich meinte und
gespürt, wie sehr sie sich nach Trost sehnte. Er hatte plötzlich
das starke Gefühl bekommen, sie beschützen zu müssen
und gleichzeitig hatten ihre aufkommenden Emotionen ihn derart
gereizt, dass er sie einfach berühren musste. Er wollte wissen,
wie sie sich anfühlt, wie sie schmeckt. Er hatte noch immer den
Geruch ihrer Haut in der Nase, schmeckte ihre Lippen. Noch nie war er
von einer Frau so überwältigt worden wie von Anna. Es war
ihm so schwer gefallen, sie wieder los zu lassen. Er hatte gespürt,
dass es ihr gefallen hatte, darin bestand kein Zweifel. Nein, ihr
Verhalten war eigentlich nicht das einer Frau in einer glücklichen
Beziehung gewesen. Sonst hätte sie ihn doch sofort von sich
gestoßen, ihm vielleicht sogar eine geschmiert. Was sollte dann
das mit dem Freund? Vielleicht wollte sie sich damit einfach nur
schützen, vielleicht war er ihr einfach zu schnell. Oder ihr
komischer Freund war möglicherweise eine Niete, wer wusste das
schon. Er hätte sich einfach zurück halten müssen,
denn nun, und das wusste er, würde Anna ihm erst recht nicht
mehr aus dem Kopf gehen.
6
Die kommenden Tage verliefen sehr angenehm. Marco
erwähnte das Ereignis zu Annas großer Erleichterung mit
keinem Wort und verhielt sich ihr gegenüber sehr freundlich und
zuvorkommend. Sie konnte sich bei Violetta in der Küche und im
Haushalt etwas nützlich machen, was ihr sehr gut gefiel.
Ihr Onkel führte sie durch das ganze Anwesen,
zeigte ihr den Kelterraum, erklärte ihr die neueste Technik,
führte sie zu den Wein- und Grappaschätzen im staubigen,
romantischen Gewölbekeller unter dem Haupthaus und zu Marias
"Schätzen" in dem großen, gut bestückten
Gewächshaus hinter dem Kelterraum an der Westseite des Guts.
Anna war froh darüber, dass sich ihr Onkel so um sie kümmerte
und verdrängte den Gedanken völlig, er könnte das
gleiche über sie denken wie Marco am Anfang. Immerhin hatte der
ja nichts vom Tod ihres Vaters gewusst. Und Toni schien alles andere
als betrübt darüber zu sein, seine Nichte bei sich zu
haben. Sie fühlte sich hier von Tag zu Tag wohler und es kam ihr
vor, als wäre sie nicht eine Woche sondern schon mindestens
einen Monat hier.
Als sie gerade Marias Gemüse- und Kräuterreich
verließen, hörten sie vom Weinberg her erregte Stimmen.
Onkel Toni wirkte nicht überrascht, sondern sagte nur: "Ah,
siehst du? Jetzt kannst du es einmal selbst miterleben. Komm!"
Er ging an ein paar Büschen vorbei, die an der
Mauer des Nebengebäudes entlang wuchsen und Anna folgte ihm
neugierig. Als Toni stehen blieb, deutete er in den Weinberg hinein,
wo sich etwa zwanzig Meter entfernt Marco und sein Vater wild
gestikulierend in einem so schnellen Italienisch unterhielten, dass
Anna kein Wort verstand. Sie konnte nur erahnen, um was es ging.
Paolo hatte ein hochrotes Gesicht und sein Schnauzbart
hing zornig herunter. Seine Augenbrauen hatte er zusammengezogen und
mit weit ausgebreiteten Armen deutete er abwechselnd auf den Boden
und auf die Weinstöcke. Immer wieder führte er die Finger
beider Hände zusammen, als ob er damit durch seine Gestik seinen
ohnehin schon lauten und empörten Worten noch mehr Ausdruck
verleihen wollte. Dazwischen schlug er sich wie ehrenhaft auf die
Brust, wobei er die Brauen hochzog und den Mund weit öffnete.
Anna stellte sich vor, dass diese Geste eigentlich nur heißen
konnte: Früher hat es so etwas nicht gegeben! Bei diesem
Gedanken musste sie unwillkürlich schmunzeln.
Auch Marco fuchtelte, jedoch nicht ganz so ausgeprägt
wie sein Vater. Doch auch er sah sehr wütend aus, seine Haare
waren vom Wind zerzaust und seine Stimme klang sehr streng, wenn auch
bei weitem nicht so theatralisch wie die von Paolo. Die beiden
bemerkten sie nicht.
"Siehst du?" Toni drehte sich zu Anna und
lächelte. "So sehen sie aus, die kleinen Familienstreits
der Santores. Es geht natürlich wieder einmal um den Wein. Marco
hat scheinbar von einem neuen Biodünger gelesen und ist
überzeugt, damit das Wachstum stark verbessern zu können.
Paolo ist dagegen." Toni machte eine kurze Pause und legte dann
den Kopf
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