Italienische Novellen, Band 1
kostbare Gastmähler. Bei alledem wollte ihn aber Madonna Minoccia niemals erhören, und Galgano wußte gar nicht mehr, was er noch tun und sagen sollte, als er sah, welche Grausamkeit in der Brust dieser seiner Gebieterin waltete, die er viel lieber hatte als sich selbst. Immer bei Festen und Hochzeiten war er hinter ihr her und hielt den Tag für verloren, an dem er sie nicht zu sehen bekommen. Oftmals schickte er an sie durch Mittelspersonen Geschenke und Botschaften, aber niemals wollte die Frau etwas in Empfang nehmen noch anhören, sondern war jedesmal härter als zuvor. So war der besagte Liebende lange Zeit von der heftigsten Liebe und Treue gequält, die er für diese Frau hegte, und oftmals beklagte er sich gegen Amor und sprach: »Ach, mein Gebieter, wie magst du es ertragen, daß ich liebe und nicht geliebt werde? Siehst du nicht, daß dies deinen Geboten zuwiderläuft?« So wollte er oft und viel im Gedenken an die Grausamkeit jener Frau sich der Verzweiflung hingeben. Aber doch beschloß er, sittsamlich das Joch so fortzutragen, bis es Amor einmal gefiele, ihn Gnade finden zu lassen, und gab die Hoffnung nicht auf. Er ließ sich angelegen sein, in Reden und Handlungen ihr gefällig zu sein; sie aber ward nur um so unbeweglicher.
Einstmals war Messer Stricca und seine schöne Gemahlin auf einem ihrer Güter bei Siena; der besagte Galgano kam auch vorüber mit einem Sperber auf der Faust und tat, als ginge er auf die Vogeljagd; er wollte aber nur die Frau sehen. So kam er denn an dem Hause vorbei, wo sie war, und als Messer Stricca ihn sah und sogleich erkannte, ging er ihm entgegen und nahm ihn freundschaftlich bei der Hand mit der Bitte, gefälligst mit ihm und seiner Gemahlin zu speisen. Galgano dankte ihm dafür auf das verbindlichste, bat aber, ihn für entschuldigt zu achten.
»Denn«, sagte er, »ich muß notwendig irgendwohin gehen.«
Darauf sagte Messer Stricca: »So nehmt wenigstens einen Trunk an!«
Der Jüngling aber antwortete: »Schönen Dank! Bleibt mit Gott! Ich habe Eile.«
Als Messer Stricca seinen Entschluß sah, ließ er ihn hinziehen und ging wieder ins Haus. Galgano aber, als er von Messer Stricca hinweg war, sprach bei sich selbst: »Ach, ich Unglücklicher, warum habe ich nicht angenommen? So hätte ich sie wenigstens gesehen, die mir teurer ist als die ganze Welt.«
Während er diesen Gedanken nachhing, steigt eine Elster auf. Darum ließ er den Sperber los; die Elster flog in den Garten Messer Striccas, und der Sperber packte sie in die Klauen. Als Messer Stricca und seine Frau diesen Sperber hörten, liefen sie an das Gartenfenster, und als die Frau die Geschicklichkeit bemerkte, womit der Sperber die Elster faßte, fragte sie, da sie es nicht wußte, wem der Sperber gehöre. Messer Stricca antwortete: »Dieser Sperber hat ein gutes Vorbild an seinem Herrn, denn er gehört dem trefflichsten und vollkommensten Jüngling in ganz Siena.«
Die Frau fragte, wer dies sei.
»Der Vogel gehört Galgano«, erwiderte ihr Gatte, »welcher eben vorübergegangen ist. Ich bat ihn, bei uns zu speisen, er nahm es aber nicht an. Fürwahr, es ist der anmutigste und rechtschaffenste Jüngling, den ich je gesehen habe.«
Sie gingen vom Fenster weg und begaben sich zu Tische. Galgano lockte seinen Sperber zu sich und entfernte sich ebenfalls. Die Frau aber merkte jene Worte und behielt sie im Sinne. Als daher einige Tage darauf Messer Stricca von der Gemeinde von Siena als Gesandter nach Perugia ging und seine Frau allein zu Hause ließ, schickte sie, sobald sie erfahren, daß ihr Mann weggeritten sei, eine Vertraute an Galgano und bat ihn, er möge gefälligst zu ihr kommen, sie wolle mit ihm reden. Als ihm die Botschaft ausgerichtet war, antwortete Galgano, er komme sehr gerne. Als nun Galgano hörte, daß Messer Stricca nach Perugia gegangen sei, machte er sich am Abend zu passender Stunde auf den Weg und ging in das Haus der Frau, die er weit mehr als seine Augen liebte.
Als er vor die Frau trat, grüßte er sie ehrerbietig; die Frau aber nahm ihn mit großer Freude bei der Hand, umarmte ihn und sprach: »Sei mir hundertmal willkommen, mein Galgano!«
Und ohne weitere Worte gaben sie sich mehrmals den Friedenskuß. Die Frau ließ sodann Zuckerwerk und Wein kommen, und nachdem sie miteinander gegessen und getrunken hatten, nahm ihn die Frau bei der Hand und sprach: »Mein Galgano, es ist Zeit, schlafen zu gehen. Gehen wir daher zu Bette!«
Galgano antwortete und sprach: »Madonna, ganz
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