Italienische Novellen, Band 1
dir daher nur sagen, wie es mit mir steht. Ich möchte nämlich gerne, wenn es dir gefällig wäre, deine Tochter zur Frau bekommen.«
Carsivalo antwortete: »Auf mein Wort, lieber Herr, ich gäbe sie Euch gerne, aber ich müßte mich gar zu sehr darüber schämen, angesehen daß die, so sie begehrt haben, lauter junge Leute sind von achtzehn bis zwanzig Jahren, und ich könnte in Fehde mit ihnen geraten. Dann wären auch Mutter und Brüder und meine andern Verwandten und Genössen vielleicht nicht damit zufrieden; auch hätte das Mädchen selbst kein Genügen an Euch, da sie andere, rüstigere als Ihr haben könnte.« »Lieber Carsivalo«, antwortete der Graf, »du hast ganz recht. Du kannst ja aber sagen, sie bekomme dann alles, was ich besitze. Darum wünsche ich, daß wir wegen der Sache miteinander übereinkommen.«
Carsivalo sagte: »Ich bin damit ganz einverstanden. Wir wollen es heute nacht überlegen und morgen früh uns unsere Ansichten mitteilen. Dabei wollen wir es belassen.«
Der Graf konnte die ganze Nacht nicht schlafen, sondern ersann sich, um seinen Zweck zu erreichen, einen allerliebsten Plan. Am folgenden Morgen rief er Carsivalo zu sich und sprach: »Ich habe etwas gefunden, was dich vollständig entschuldigen, ja was dir zu großer Ehre gereichen muß.«
»Nun wie?« fragte Carsivalo.
»Laß ein Turnier ausschreiben«, fügte der Graf hinzu, »daß, wer deine Tochter zur Frau begehrt, an dem und dem Tage kommen soll, und wer Sieger ist, soll sie zur Frau bekommen. Für das Weitere laß mich sorgen! Ich will schon ein Mittel finden zu siegen, und jedermann wird dich entschuldigen.«
Carsivalo sagte: »Es ist mir recht.«
Darauf nahm er Abschied und kehrte nach Hause zurück. Bei gelegener Zeit rief er seine Frau und seine übrigen Verwandte und Freunde und sprach: »Es schiene mir nunmehr Zeit, Lisetta zu verheiraten. Aber wie meint ihr nun, daß es anzugehen sei bei den vielen Bewerbern, die wir haben, die alle unsere Nachbarn und Freunde sind ? Jeder, dem wir sie nicht geben, wird unser Feind, erzürnt sich und spricht: ›Bin ich nicht so viel wert als der?‹ So werden die andern auch sagen, und während wir Freunde zu erwerben glaubten, bekommen wir nichts als Feinde. Darum dünkt mich, wir veranstalten auf den Frühling ein Turnier, und wer darin gewinnt, der soll sie in Gottes Namen haben.«
Die Mutter und die andern antworteten, sie seien zufrieden mit dieser Anordnung, und so schritt man denn zur Ausführung. Carsivalo ließ das Turnier ansagen: Wer seine Tochter zur Frau begehre, solle sich einfinden am ersten Tage des Maimonats in der Stadt Marseille zu einem Turnier, und wer Sieger bleibe, solle sie haben. Der Graf Aldobrandino schickte deshalb nach Frankreich und bat den König, ihm den rüstigsten Knappen im Waffenhandwerk zu schicken. Der König, in Erwägung, daß der Graf immer ein Diener der Krone gewesen und auch sein Vetter war, schickte ihm einen seiner Knappen, den er von Kindheit auf erzogen hatte, namens Ricciardo, der aus dem Hause Montalbano, einem von jeher kräftigen edlen Geschlechte, stammte. Dabei befahl er ihm, alles zu tun, was der Graf Aldobrandino ihm befehle. Der Jüngling kam zum Grafen, der ihm große Ehre erwies und ihm dann den Grund, warum er nach ihm geschickt hatte, auseinandersetzte.
»Der König hat mir befohlen«, sprach Ricciardo, »alle Eure Befehle zu vollziehen: darum gebietet mir, und ich werde rüstig gehorchen.«
Der Graf sagte: »Wir werden zu Marseille ein Turnier veranstalten, worin ich wünsche, daß du den Sieg davonträgst. Dann komme ich auf den Kampfplatz und fechte mit dir, und du mußt dich zuletzt von mir besiegen lassen, damit ich als Sieger des ganzen Turniers erscheine.«
Ricciardo versetzte, er sei bereit. Der Graf behielt ihn insgeheim bei sich, bis es Zeit war; dann sprach er zu ihm: »Nimm die Waffen, die du willst, geh nach Marseille und rüste dich mit Geld und Pferden nach deinem Wohlgefallen wie ein fahrender Ritter aus und mache, daß du stattlich aussiehst!«
Ricciardo sagte: »Laßt mich nur machen!«
Er ging nun gleich in den Stall und sah daselbst unter den andern ein Roß, das schon einige Monate nicht geritten worden war. Er bestieg es sogleich, wählte sich ein passendes Gefolge und ging nach Marseille, wo eine große Zubereitung zum Turnier gemacht war. Schon waren viele kampflustige junge Männer daselbst eingetroffen, und jeder schätzte sich glücklich, der den andern an schönem und stattlichem
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