Italienische Novellen, Band 2
die mir in den ersten Tagen geneigt zu sein schien, sich aber hernach, ich weiß nicht weshalb, spröde und meinen Wünschen völlig zuwider erwies; denn sooft sie an der Tür oder ihren Fenstern steht, wenn ich durch die Straße komme, zieht sie sich, sobald sie mich sieht, plötzlich zurück und will weder Briefe noch Boten mehr von mir annehmen. Erst gestern schickte ich meinen Edelknaben hin, um eine Unterredung mit ihr nachzusuchen; aber er ist nicht nach Hause gekommen, mir Antwort zu sagen, so daß ich zugleich eine Geliebte und einen guten und angenehmen Diener verloren habe. Wäre er zurückgekommen und hätte mir Nachricht gebracht, daß sie noch in ihrer gewohnten Unerbittlichkeit verharrt, so hätte ich mich entschlossen, sie gar nicht länger mehr zu belästigen und mich nach einer andern umzusehen, der meine Dienste angenehmer wären; denn um die Wahrheit zu sagen, halte ich es für die größte Torheit, die zu verfolgen, die mich flieht, die zu lieben, die mich haßt, und nach der zu verlangen, die von mir nichts wissen will.«
»Nun, das läßt sich hören«, rief Pippa aus, »und ich nehme Euch beim Wort, junger Herr! Wahrhaftig, ich wäre auch nicht so närrisch, den zu lieben, der nicht in mich verliebt wäre. Aber seid einmal so gefällig, mir zu sagen: wenn nun die Nicuola Euch noch zugetan wäre, ja Euch mehr als jemals liebte, – was meintet Ihr dazu? Würde es Euch bedünken, daß sie Eurer Gegenliebe wert wäre?«
»In Wahrheit«, antwortete der Jüngling, »sie würde verdienen, daß ich sie mehr als mich selbst liebte. Aber was Ihr da sagt, kann gar nicht sein; denn sie muß mir notwendigerweise höchlich zürnen, da ich mich gar nicht um sie bekümmert habe, nachdem sie mir doch seit ihrer Rückkehr nach Esi zu wiederholten Malen geschrieben hat. Ich weiß gar nicht einmal, wo sie gegenwärtig sein mag, so lange ist es her, daß ich sie nicht gesehen habe.«
»Oh«, fiel Frau Pippa ein, »ich weiß, daß Ihr sie noch in den letzten Tagen unendlich oft gesehen und sehr vertraulich mit ihr gesprochen habt.«
»Darin irrt Ihr Euch wirklich, Frau Pippa«, antwortete Lattanzio.
»Ich irre mich nicht«, versetzte sie. »Ich muß wissen, was ich sage, und spreche nicht aufs Geratewohl in den Wind. Aber sagt mir doch, wenn es wahr wäre, was ich behaupte, und ich es Euch mit Händen greifen ließe, daß Euch Nicuola mehr als jemals liebt, – was würdet Ihr tun? Und wenn sie in Eurem Hause gewesen wäre, Euch gedient und alles getan hätte, was der geringste Knecht tun muß, ohne je von Euch erkannt zu werden, – was würdet Ihr davon denken? Laßt es Euch nicht befremden, was ich sage, und zeigt Euch nicht so verwundert und erstaunt: denn die Sache verhält sich wirklich so und kann sich nicht anders verhalten, als wie ich Euch sage. Und damit Ihr seht, daß ich die Wahrheit sage, erbiete ich mich, Euch einen so unwidersprechlichen Beweis davon zu geben, daß Ihr selbst meiner Meinung sein werdet. Doch zuerst antwortet mir: wenn Nicuola alles das getan hätte, was ich Euch sage, – was meint Ihr, daß sie verdient habe?«
»Ihr erzählt mir Märchen und Träume«, antwortete Lattanzio. »Wenn es aber wahr wäre, so wüßte ich nichts zu sagen, als daß ich verbunden bin, sie ewig zu lieben und sie zur Gebieterin meiner selbst zu erheben.«
»Wohlan denn«, sprach Pippa und rief Nicuola, die sie anwies, ihre Edelknabenkleider mitzubringen. Der Nicuola war kein Wort von dem ganzen Gespräche entgangen, und sie trat denn auf diesen Ruf, ihre männliche Kleidung in der Hand haltend, im ganzen Gesichte vor Scham erglühend, in das Gemach und näherte sich ihrer Amme und ihrem Geliebten.
»Da ist Eure Nicuola, Lattanzio!« sagte die Pippa, »Euer Romulo, Euer schmerzlich vermißter Edelknabe, der Tag und Nacht bei Euch war und Ehre und Leben aus Liebe zu Euch aufs Spiel gesetzt hat. Ja, sie hat die ganze Welt außer acht gelassen und nur für Euch gesorgt, und Ihr habt sie in so langer Zeit niemals erkannt.«
Sie erzählte hierauf mit allen kleinen Umständen, wie die Jungfrau dazu gekommen, ihm als Edelknabe zu dienen, und schloß endlich mit der Frage: »Nun, was sagt Ihr denn dazu?«
Lattanzio stand halb bewußtlos da, sah Nicuola an, glaubte zu träumen und wußte recht eigentlich nicht, was er dazu sagen sollte, daß sie als Knabe gekleidet bei ihm gewesen sei. Als er aber wieder ein wenig zu sich selbst gekommen war und der Grausamkeit Catellas gedachte, die an Schönheit sich mit
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