Italienische Novellen, Band 3
zu veranlassen, ihn in der von ihm gewünschten Eigenschaft in seine Dienste aufzunehmen. Nach so guten Erfolgen schied er mit seinem Freunde hocherfreut von seiner Gönnerin und setzte sich vor, ihr in allen Dingen zu Gefallen zu leben, damit sie ihn in seiner Laufbahn fördere. Er schrak zwar von diesen Vorsätzen bei dem Gedanken an seines Oheims Warnung vor dem vertrauten Umgange mit Frauen reuig einen Augenblick zurück. Sein guter Piacentiner Freund bewies ihm aber, daß jene Warnung auf dies Verhältnis wohl nicht anzuwenden sei, und gab ihm im Gegenteil eine ganz andere Richtung seines Benehmens an. Dieser Unterweisung zufolge besuchte er von Stund an die Alte, bald unter diesem, bald unter jenem Vorwande, und schmeichelte ihr, die noch eitel genug war, seine Aufmerksamkeiten auf sich selbst zu beziehen, so ungemein, daß sie ihm nicht nur jederzeit äußerte, wie gern sie ihn bei sich sähe, sondern ihm auch zu wiederholten Malen Gelder gab, mit denen er sich reich und stattlich wie ein moskowitischer Edelmann kleidete.
Der guten Frau genügte es überdies nicht, nur so viel für ihn zu tun. Eines Tages, da der Kaiser zu ihr kam und mit ihr über ihre Webstühle sprach, nahm sie die Gelegenheit zu klagen wahr, daß das Haus gar zu eng und klein für ihre Arbeit sei, und erwähnte mit guter Art der außerordentlichen Erfindung Berlacecis von Mailand, der da in Polen oder Preußen aufzukaufende große Gebäude mit leichter Mühe zu der Zier und Bequemlichkeit der neuaufblühenden Hauptstadt in sie herüber zu verpflanzen erbötig sei. Sie hatte diese Worte kaum gesprochen, als ihr der Kaiser, ein sehr einsichtiger Herr, erwiderte: »Laß ihn auf den Hauptplatz dieser Stadt den alten baufälligen Turm von Kronschlott schaffen, Frau, so will ich dies für einen Beweis seines Wissens und Geschicks ansehen und bereit sein, ihn mit ansehnlichem Gehalte als meinen Architekten anzustellen. Inzwischen soll der Befehl gegeben werden, daß man dem Berlaceci zu seinen Versuchen allen nötigen Vorschub tut und auf der Newa Tannen herunterfährt, weil in der Stadt schwerlich Hebebäume genug für ihn aufzubringen sind.
Die alte Holländerin war über den Beschluß des Zaren so erfreut, daß sie Berlaceci auf der Stelle wissen ließ, wie ihm nun mehr, als er selbst verlange, zugestanden sei. Des Italieners Scharfsinn erkannte die schriftliche Mitteilung solch eingetretenen Glücksfalles nach Mailand für das Nötigste, damit ihm der Oheim vollständiger und genügend die Beschaffenheit der großen Maschine erläutere. Er befürchtete nur, sein Brief könne entweder unterwegs verlorengehen oder, im Fall er glücklich anlange, seines mißtrauischen Oheims Zweifel nicht beseitigen, und entschloß sich, sich seinem Freunde gänzlich anzuvertrauen; er rief ihn also beiseite und erläuterte ihm seine Wünsche folgendermaßen: »Wenn meine Bitten irgend etwas über dich vermögen, mein lieber Freund, so ersuche ich dich, mir zu Gefallen nach Mailand zu gehen und meinen Onkel dahin zu vermögen, sich seines mir gegebenen Versprechens durch völliges Vertrauen zu entledigen.« Der Piacentiner erwog diesen Vorschlag eine Weile unschlüssig hin und her. Wie schwer ihm aber auch der Entschluß zu einer solchen Reise ward, so nötigte ihn doch einerseits das Unternehmen gewissermaßen selbst dazu, weil es schon zu weit gediehen war, als daß ein vor dem Kaiser anzustellender Versuch hätte füglich unterbleiben können. Andererseits vollbrachte seine Liebe und Freundschaft zu Berlaceci gern alles irgend zu Verlangende. Er riß sich also von seinen eigenen Geschäften los, Heß sich das nötige Geld geben und trat die Reise nach Italien an.
Inzwischen fuhr die gute Alte fort, ihren Berlaceci mit allem zu versehen, was er bedurfte, um die nötigen Anstalten zu einem Versuche seiner Kunst zu treffen. Es kamen in Petersburg viele Tannenstämme zu dem großen Baue an, und der Bauherr selbst hielt in Erwartung des inhaltschweren Briefes aus Mailand seine Gönnerin und den Kaiser mit verschiedenen Kleinigkeiten auf. Wie es nun aber wohl je zuweilen geschieht, daß allzugroßes Wohlergehen die Menschen der nötigen Vorsicht vergessen macht, und daß Überfluß an Gütern in ihnen Überdruß erzeugt, so hub zuletzt der von dem immerwährenden Umgange mit der Holländerin gelangweilte Berlaceci also mit sich selbst zu reden an: »Berlaceci, was hast du eigentlich noch länger mit der alten Frau zu tun? Sie hat dich reich gemacht und dir den
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